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Von Professor Dr. Michael Rosenberger

Bei uns laufen Frauen und Männer in der Pilgergruppe getrennt – macht das noch Sinn?

Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es in der Kirche eine klare Ordnung: Rechts auf der sonnigen Südseite saßen die Männer, links auf der kalten Nordseite die Frauen. Da Kirchen immer nach Osten ausgerichtet sind, war diese Zuteilung sehr verlässlich. Zugleich waren beide Gruppen streng nach dem Alter sortiert: Ganz vorn saßen die Jüngsten, ganz hinten die Ältesten. Jahr für Jahr rutschte man ein wenig weiter nach hinten.

Die Reihung entsprechend dem Alter sorgt, sofern es mehr und weniger begehrte Plätze gibt, für höchstmögliche Gerechtigkeit: Jeder fängt auf den weniger begehrten Plätzen klein an und kommt, sofern er alt genug wird, mit zunehmendem Alter immer mehr groß heraus. Nun waren und sind in der Kirche die begehrtesten Plätze ganz hinten. Ob die Alten sich nach hinten setzten, weil es die begehrtesten Plätze waren, oder ob es die begehrtesten Plätze wurden, weil die Alten schon immer hinten saßen, ist historisch kaum herauszufinden. Doch hat das System jedenfalls dafür gesorgt, dass die hinteren Plätze bis heute als die besten gelten. Von dort hat man den besten Überblick, wird aber selbst am wenigsten gesehen.

Die Sortierung der Menschen nach ihrem Geschlecht allerdings hatte nie mit dem Mühen um Gerechtigkeit zu tun, sondern verkörperte schon immer eine Ungerechtigkeit. Frauen wurden damit abgewertet, denn die Männer saßen auf der Sonnenseite.

Etwas komplizierter war die Ordnung bei Wallfahrten und Prozessionen. Hier gibt es keine Unterscheidung von links und rechts, sondern nur von vorne und hinten. Das schränkt die Möglichkeiten von Gerechtigkeit wie Ungerechtigkeit ein. Oft wurde die Ordnung so definiert, dass (ohne die liturgischen und musikalischen Dienste) folgende Reihung herauskam: Buben – Mädchen – Männer – Frauen. Die Kinder blieben also vorne, die Alten hinten – jedoch gingen die Männer immer vor den Frauen ihrer Altersgruppe. Mancherorts gingen die Männer sogar vor den Buben, diese vor den Mädchen und die wiederum vor den Frauen.

Es ist evident, dass die Logik der guten Plätze hier eine andere ist als in der Kirche: Wallfahrten und Prozessionen sind ein „Schaulaufen". Es geht nicht so sehr darum, andere sehen zu können, sondern im Gegenteil von anderen gesehen zu werden. Unter dieser Maxime sind die besseren Plätze vorne. „Den letzten beißen die Hunde" – den sieht und beachtet in einer Prozession niemand. Und wieder sind es die Frauen, denen die schlechteren Plätze zugewiesen werden.

Macht es also Sinn, dass Männer und Frauen in einer Wallfahrt getrennt laufen? Reine Männerwallfahrten oder reine Frauenwallfahrten machen mitunter sehr wohl Sinn, wie ich in der Frage Nr. 33 vom Juli/August 2013 dargelegt habe. Auch ein getrenntes Gehen von Ehepartnern kann Sinn machen, damit jeder der beiden Partner während der Wallfahrt Zeit für sich hat und offen ist für den Austausch mit anderen Menschen. Aber die systematische Trennung von Männern und Frauen in einer Wallfahrtsgruppe hatte früher das klare Ziel, die fundamentale Ungleichheit von Männern und Frauen sichtbar zu untermauern – und nahm zumindest in Kauf, dass dabei eine Höherwertigkeit der Männer symbolisiert wurde. Häufig wird das gewiss eine bewusste Absicht der männerdominierten Kirche gewesen sein.

In einer auf Gleichberechtigung von Mann und Frau ausgerichteten Zeit macht es also nicht nur keinen Sinn, Männer und Frauen in Gottesdiensten oder auf Wallfahrten zu trennen, es ist nicht nur altmodisch und unzeitgemäß, sondern direkt gegen die Botschaft des Evangeliums gerichtet. Denn die hat eine starke Dynamik auf die Gleichberechtigung der Geschlechter hin: „Ihr seid alle durch den Glauben Söhne und Töchter Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus." (Gal 3,26-28) Sofern nicht längst geschehen ist es also höchste Zeit, die Geschlechtertrennung auf Wallfahrten abzuschaffen.