Dennoch: Wallfahren ist die Spiritualität der Männer: Sie lieben einen Hauch von Abenteuer und Wagnis. Sie wollen ihre körperliche Stärke austesten. Sie suchen die sportliche Heraus-forderung und das einfache, naturverbundene Leben. Und auch das: Sie können leichter als Frauen mit einem winzigen Rucksack auskommen, den sie spielend auf dem Rücken tragen. – Wallfahren ist die Spiritualität der Männer, und das wird pastoral leider wenig begriffen und aufgegriffen.
Aber auch wenn das so ist: Ist es gut und richtig so? Und sind Männerwallfahrten dann die angemessene Antwort? – Eine der großen Debatten des modernen Feminismus ist die Frage, ob die Unterschiede der Geschlechter reine gesellschaftliche Konstruktion sind (man spricht dann vom Egalitätsfeminismus) oder ob auch bei einer sehr egalitären Erziehung von Jungen und Mädchen Unterschiede bleiben werden – zumindest was die statistische Häufung von bestimmten Begabungen oder Verhaltensweisen angeht (Differenzfeminismus). Mir persönlich erscheint die erste Alternative nicht sehr plausibel. Denn die Evolution hat die Zweige-schlechtlichkeit herausgebildet, damit bestimmte Arbeitsteilungen möglich werden. Und die-ses biologische Programm liegt ins uns – ob wir wollen oder nicht.
Natürlich heißt das nicht, dass man aus faktischen Unterschieden prinzipielle, d.h. wesensmä-ßige Differenzen ableitet. Es gibt nicht „den Mann“ oder „die Frau“. Und erst recht heißt das nicht, dass es eine hierarchische Überordnung der Männer gäbe – ganz im Gegenteil: Mann und Frau sind gleichwertig, wie uns die Bibel klar bezeugt (Gen 1,27; 2,23; Gal 3,28 u.a.). Und doch werden die meisten Männer sich in bestimmten Interessen von den meisten Frauen unterscheiden. Aber das ist ja nicht nur Last, sondern bereitet uns auch Lust am anderen Ge-schlecht: Es ist faszinierend und amüsant zugleich zu sehen, dass Männer und Frauen in Man-chem sehr verschieden sind.
Deswegen ist auch in der Pädagogik der Streit um gemeinsame oder getrennte Erziehung von Mädchen und Buben ein überholter Streit. Wir wissen, dass die optimale Förderung beider Geschlechter in sachlichen und sozialen Kompetenzen nur dann möglich ist, wenn sich ge-meinsame und getrennte Erziehung sinnvoll ergänzen. Statt ideologischem Streit hilft eine differenzierte Pragmatik.
Das gilt analog auch für die Seelsorge: Eine „geschlechtersensible“ Pastoral braucht die spezi-fische Männerseelsorge ebenso wie die eigenständige Frauenseelsorge. Das Augenmerk sollte aber bei beiden darauf liegen, mit solchen Angeboten nicht alte Klischees und Stereotype der Geschlechterrollen zu zementieren, sondern ein Bild vom „neuen Mann“ und der „neuen Frau“ zu vermitteln.
Genau daran müssen sich auch die Männerwallfahrten messen lassen. Ich halte sie für absolut sinnvoll und für eine enorme pastorale Chance. Ob von Bad Königshofen nach Vierzehnheili-gen, ob zum Klüschen Hagis im Eichsfeld, zum heiligen Leopold in Klosterneuburg oder nach Neustift bei Brixen – die großen Männerwallfahrten sollte man pflegen und fördern. Gerade dort aber gilt es, im Beten und Meditieren, im Predigen und Feiern ein neues Männerbild zu vermitteln: Von einem Mann, der sich sensibel für seine sozialen Beziehungen zeigt und sich für diese engagiert; der den Frauen mit Respekt begegnet und eine geschlechtergerechte Auf-gabenteilung praktiziert; der sich von der Zärtlichkeit Gottes anrühren lässt und fähig ist, seine Spiritualität selbstbewusst zu leben und behutsam auszudrücken. Und der die Männerwall-fahrt nicht mit einem Vatertagsausflug verwechselt, bei dem es vor allem um Alkohol und Lautstärke geht.