Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Pilgern durch die Coronakrise - 1. Dezember 2021

Liebe Pilgernden am Eingangstor zum Advent,
 
da bin ich wieder. Ich hätte es mir anders gewünscht. Aber spätestens seit Oktober war absehbar, dass wir mit vollem Tempo in den nächsten Lockdown hineinrasen. Österreich hat ihn bereits seit einer Woche, in Deutschland dürfte es auch nur noch eine Frage von Tagen sein. Die Infektionszahlen stiegen bzw. steigen tagtäglich an. Die Kliniken laufen über, einzelne PatientInnen werden bereits mit Militärmaschinen quer durch Deutschland verlegt, das Krankenhauspersonal ist verzweifelt. Und dabei wird ja der Höhepunkt der Krankenhausbelegung erst zwei bis drei Wochen nach dem Höhepunkt der Infektionszahlen erreicht. Sehenden Auges schlittern wir in die Katastrophe.
 
Deswegen werde ich zumindest in den nächsten Wochen jeweils am Samstagnachmittag eine Rundmail aussenden. Dass die erste heute ausnahmsweise mit einem Tag Verspätung kommt, liegt an meinen Verpflichtungen in den vergangenen Tagen.
 
Wir alle kennen die Ursachen der gegenwärtigen Pandemie-Entwicklungen in Deutschland und Österreich (die ja in manchen Ländern völlig anders laufen!): Zu niedrige Impfquoten, obwohl genügend Impfstoff bereit stünde, Impfskepsis und Impfträgheit vieler Menschen. Zu zögerliches Anziehen der Maßnahmen im Herbst durch die Politik. Zu wenig Disziplin der Menschen im Einhalten der geltenden Regeln. Zu wenig Hören auf die Fachleute, die die jetzige Entwicklung schon im August vorhergesagt haben. Von ganz oben in den Bundesregierungen bis ganz unten an der Basis haben zu viele ihren Teil der Verantwortung nicht wahrgenommen. Und jetzt müssen auch die die Suppe auslöffeln, die sich vorbildlich verhalten haben.
 
In beiden Ländern, Österreich und Deutschland, gibt es eine gemeinsame tieferliegende Ursache für das viel zu späte Handeln der Politik. Und damit meine ich nicht die Wahlen Ende September in Deutschland und Oberösterreich, die vorübergehend sicher auch ein Faktor waren, auch nicht die österreichische Kanzlerkrise, sondern: Beide Länder haben „gemischte Regierungskoalitionen“. Die lockdowngeneigten Regierungsparteien SPD (in Deutschland) und Grüne (in beiden Ländern) treffen auf die lockdownabgeneigten bis -unwilligen Regierungsparteien ÖVP (in Österreich) bzw. FDP (in Deutschland). Mitten durch die Regierungen geht der Riss in Sachen Corona-Politik und erschwert es massiv, eine gemeinsame Linie zu finden. Doch das Virus interessieren koalitionäre Differenzen nicht – es verbreitet sich eifrig weiter. Noch schlimmer ist es nur noch, wenn zwei lockdownunwillige Parteien koalieren wie in Oberösterreich (ÖVP und FPÖ). Dann wird der Karren mit Vollgas an die Wand gefahren, wie wir in den letzten Wochen erleben mussten.
 
Im Unterschied zu den ersten Wellen besteht zwischen den seriösen Parteien gegenwärtig keine Einigkeit mehr über den Vorrang eines funktionierenden Gesundheitssystems und über das Hören auf die Wissenschaft. Das war die Stärke der Politik in den ersten beiden Wellen, dass alle an einem Strang zogen und mit kühlem Kopf entschieden. Jetzt aber sind wir im alten Fahrwasser der Klientelinteressen. Und so sehr es richtig ist, die Grundfreiheiten der Menschen nur so wenig wie nötig einzuschränken: Das Virus interessieren die Menschenrechte nicht, im Gegenteil, es macht sich jede größere Freiheit der Menschen zunutze. Das wird auch der deutsche FDP-Chef Christian Lindner einsehen müssen, so sehr er sich gegenwärtig auch noch wehrt.
 
Die zweite Hiobsbotschaft der letzten Tage ist der Siegeszug der neuen Omikron-Variante in Südafrika. In spätestens drei Monaten dürfte sie auch bei uns die Standard-Variante sein und Delta verdrängt haben. Was das heißt, können wir derzeit nur sehr grob erahnen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der bisherige Impfstoff auch gegen Omikron einen gewissen Schutz bieten, doch dürfte der geringer sein als jener gegen Delta. Auch Geimpfte werden sich also häufiger anstecken. Und bis Biontech seinen Impfstoff angepasst, produziert und zugelassen hat, dürfte ein halbes Jahr vergehen. Technisch betrachtet ist das unglaublich schnell. Doch dann könnte Omikron schon Geschichte sein und die nächste Variante auf dem Programm stehen. Das Virus ist ungefähr so schnell wie wir…
 
Die Omikron-Variante zeigt, dass nur eine Durchimpfung der gesamten Weltbevölkerung uns aus der Misere herausbringt. Denn die neuen Varianten entstehen dort, wo sich das Virus sehr schnell auf sehr viele Menschen übertragen kann, und das sind die Länder mit niedrigen Impfraten. Jetzt rächen sich also die geringen Anstrengungen der reichen Länder, die Durchimpfung der armen Länder zu finanzieren. Es braucht weltweite Solidarität – zwischen reichen und armen Ländern, zwischen Impfwilligen und ImpfskeptikerInnen – sonst werden wir noch viele Jahre in der Pandemie stecken und von Lockdown zu Lockdown stolpern.
 
Der Advent ist die Zeit, in der wir voll Sehnsucht und Hoffnung auf Geschehnisse warten, die unsere eigenen Möglichkeiten übersteigen. Das Ende der Pandemie gehört sicherlich zu diesen Ereignissen. Aber dass Geschehnisse unsere Möglichkeiten übersteigen, heißt nicht, dass wir nichts tun und die Hände in den Schoß legen könnten. Seit 2000 Jahren ist die Botschaft des Advents, die Wege zu bereiten. Das ist unser Beitrag. Ohne ihn wird auch Gott nicht handeln. Gottvertrauen ist eben nur dann erlaubt, wenn wir nach gründlicher Gewissensprüfung sagen können, dass wir getan haben, was wir tun konnten. Und da müsste die Botschaft des Advents uns eigentlich einen großen Ruck geben. Uns – das meint nicht nur unsere Regierungen, sondern uns alle. In einer Demokratie haben alle das Recht mitzureden – aber auch die Pflicht, das Ihre zu tun.
 
In diesem Sinne wünsche ich allen einen segensreichen, Kraft gebenden und Hoffnung nährenden Advent!
 
Michael Rosenberger