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Pilgern durch die Coronakrise - 17. April 2021

Liebe Pilgernden auf dem Weg von Jerusalem nach Galiläa, heute ist in Österreich der Tag des offiziellen Gedenkens an alle bislang 9616 Toten der Pandemie.

Die Glocken des Doms in meiner Nachbarschaft läuten ständig zu einem Gottesdienst, damit möglichst viele Angehörige teilnehmen können. Neben den Toten soll auch der schwer Erkrankten (Long-Covid), all ihrer Angehörigen sowie aller medizinischen und pflegerischen Kräfte gedacht werden. Ein Innehalten gegen Ende der schwersten Phase der Pandemie.

Zu Beginn dieser Woche wurde Österreich von einer traurigen Nachricht überrascht – dem Rücktritt des Gesundheitsministers Rudi Anschober aus gesundheitlichen Gründen. Über ein Jahr lang war er ein ruhiger und überlegter Manager der Corona-Maßnahmen. Doch die permanente Anspannung in diesem Job hat ihn schließlich mürbe gemacht und für zwei Kreislaufkollapse innerhalb weniger Wochen gesorgt. So trat er jetzt sichtlich emotional berührt von seinem Amt zurück. Da er ein Linzer ist und lange Jahre Umweltlandesrat für Oberösterreich war, kenne ich ihn auch persönlich gut und habe seine Arbeit in beiden Funktionen überaus geschätzt. Außerdem war es menschlich immer sehr angenehm, mit ihm zusammenzuarbeiten. So bedaure ich seinen Rücktritt sehr und wünsche ihm vor allem gesundheitlich alles Gute. Hoffen wir, dass der „Neue“ im Amt, nach dem Volksschullehrer diesmal ein Allgemeinarzt, die Arbeit gut weiterführt!

In Österreich mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Scheitelpunkt der dritten Welle erreicht ist (die 7-Tage-Inzidenz liegt heute zum ersten Mal seit langem unter 200) und die derzeit geltenden Maßnahmen Mitte Mai deutlich gelockert werden können. So hat es die Regierung gestern angekündigt, und diese Perspektive scheint mir realistisch zu sein. Es geht also noch um ein Durchhalten von vier Wochen bis zum Aufatmen. Und auch wenn die Lockerungen schrittweise erfolgen, werden sie uns große Erleichterung bringen.

Derweil taumelt Deutschland ungesteuert der Überlastung seiner Intensivstationen entgegen. Die Zentralisierung der Infektions-Kompetenzen bei der Bundesregierung wird ein wichtiger Schritt sein, kommt aber zu spät. Die IntensivmedizinerInnen betteln händeringend um Unterstützung und werden von einem auf den anderen Tag vertröstet. In den letzten Monaten hat sich der deutsche Föderalismus von seiner allerschlechtesten Seite gezeigt. Der Lockerungswettbewerb zwischen den MinisterpräsidentInnen war beschämend und frustrierend. Man kann nur hoffen, dass nach der Pandemie die gesamte Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand kommt und neu definiert wird. In den letzten zwanzig Jahren sind zwei Föderalismusreformen kläglich gescheitert – der dritte Anlauf muss Erfolg haben.

Dass es jetzt mit Riesenschritten aufwärts geht, habe ich heute Morgen beim Öffnen meiner Mails bemerkt: Im elektronischen Postkasten lag ein Impfangebot der Stadt Linz für den 30.4. Ich hatte frühestens in einem Monat mit diesem Angebot gerechnet. Nun geht es in diesen Rundmails ja nicht um mich persönlich. Aber die für alle frohe Nachricht daran ist, dass ich das Impfangebot NICHT als Priester bekommen habe (da wurden zurecht nur die über 65-jährigen Priester vorgezogen) und auch NICHT als Universitätsprofessor (unsere Betriebsärztin steht zwar in den Startlöchern, aber noch kann sie keine Impfungen anbieten, weil die Unis nur der vorletzten Dringlichkeitsstufe zugeordnet sind), sondern als einfacher Bürger der Stadt Linz in der Altersklasse knapp unter 60 Jahren. Das heißt: Mittlerweile sind die Impfungen in meiner Altersklasse angekommen. Das Versprechen der Bundesregierung, dass jedeR erwachsene ÖsterreicherIn bis Anfang Juli ein Impfangebot bekommt, dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit aufgehen. Und das ist wirklich eine gute Nachricht!

Heute möchte ich das zweite Osterevangelium betrachten, das zum Thema „Impfen“ wichtige Impulse gibt und uns lehren kann, das Warten in einem neuen Licht zu sehen:

Aus dem Evangelium nach Johannes

20,1 Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. 2 Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben. 3 Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; 4 sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. 5 Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging jedoch nicht hinein. 6 Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen 7 und das Schweißtuch, das auf dem Haupt Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. 8 Da ging auch der andere Jünger, der als Erster an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. 9 Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse. 10 Dann kehrten die Jünger wieder nach Hause zurück.

Anders als das Markusevangelium erwähnt das Johannesevangelium, das jüngste der vier Evangelien und um 100 n.Chr. geschrieben, nur eine der drei Frauen am Grab namentlich: Maria aus Magdala. Doch auch Johannes geht davon aus, dass sie nicht alleine zum Grab gekommen ist, denn in Vers 2 heißt es „wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ Das setzt voraus, dass es mindestens zwei Frauen waren.

Im Folgenden bekommt eine Frage zentralen Raum, die derzeit sehr häufig gestellt wird: Wer kommt zuerst an die Reihe? Damals nach Tod und Auferstehung Jesu hieß das konkret: Wer darf zuerst das Grab betreten? Magdalena ist es offenkundig nicht, und mit ihr auch nicht eine der anderen Frauen. Sie sind zwar die ersten am Grab und sehen, dass der Stein weggewälzt ist, gehen aber nicht hinein. Vielmehr kehren sie auf der Stelle um, denn sie wollen Petrus und dem Lieblingsjünger den Vortritt lassen. Ihnen bringen sie die Botschaft. Die sollen das Grab untersuchen und entscheiden, was zu tun ist und wie die Veränderungen zu verstehen sind.

Wer aber von den beiden Männern darf das Grab zuerst betreten? Die Antwort wird wundervoll ausgemalt: Der Lieblingsjünger ist schneller am Grab, er ist ganz offensichtlich der weitaus sportlichere der beiden. Und er DARF schneller laufen, muss sein Tempo nicht dem des Petrus anpassen. Denn beide Männer wissen: Der Lieblingsjünger wird vor dem Eingang des Grabes warten und Petrus den Vortritt lassen. Deswegen kann Petrus in aller Ruhe sein langsameres Tempo gehen.

Ich finde es faszinierend, mit welcher inneren Ruhe Magdalena den beiden Männern und der Lieblingsjünger dem Petrus den Vortritt lassen! Da ist kein Wettbewerb, keine Ellbogenmentalität, kein Recht des Stärkeren, sondern Rücksicht, Respekt, Ordnung und Gemeinsinn. So sollte es auch bei den derzeit stattfindenden Impfungen sein: Die Jüngeren sollten auf die Älteren und die Gesunden auf die Schwerkranken warten können, ihnen bereitwillig und ohne jede Ungeduld den Vortritt lassen. Nur so kann Gemeinschaft wachsen und bestehen.

Denn wir brauchen einander: Petrus geht als erster in das Grab hinein und sieht. Doch er kann sich auf das, was er sieht, keinen Reim machen. Er versteht nicht, was das leere Grab bedeutet. Der Lieblingsjünger hingegen und später auch Magdalena gehen hinein und glauben. Ein Blick genügt dem Lieblingsjünger, ein Wort genügt Magdalena, um Klarheit zu erlangen. Doch beide wissen, dass sie Petrus noch brauchen werden, und deswegen lassen sie ihm den Vortritt. Petrus weiß umgekehrt, dass er den Lieblingsjünger und Magdalena noch brauchen wird, deswegen schenkt er ihrer Erklärung der Vorgänge Gehör und Glauben. Jede und jeder der drei hat eigene Begabungen – und alle werden gebraucht, um Kirche zu sein und aufzubauen. Aus diesem Wissen respektieren sich die drei gegenseitig und erkennen jene Priorisierung an, die für alle gemeinsam die beste ist.

So wünsche ich uns allen für die letzte Wegstrecke zum Geimpft-Werden diese Geduld und Rücksichtnahme – es wird sich auf lange Sicht für unser Land, ja für die Welt auszahlen! Wir brauchen einander noch!

Mit österlichen Grüßen,

Michael Rosenberger