Liebe Pilgernden im Lockdown (D) bzw. zwischen zwei Lockdowns (A),
als ich heute um 10.30 Uhr auf dem Gipfel des Schillereck (1748m) in der warmen Sonne saß, kamen zwei junge Männer, offensichtlich Freunde, deren Unterhaltung ich unfreiwillig hörte. Der eine erzählte dem anderen, dass er mit seinen Arbeitskollegen für den Abend des 23.12. am Arbeitsplatz eine kleine Feier plant. Der andere machte ihm darauf heftige Vorwürfe. Genau solche Unternehmungen seien dafür verantwortlich, dass die Infektionszahlen einfach nicht heruntergingen. Wie recht er hatte – und konnte doch seinen Kameraden nicht überzeugen. – Ja, es sind einfach zu viele, die immer wieder eine klitzekleine Ausnahme machen in der Meinung, dass schon nichts passieren wird. Aber das Virus macht eben keine Ausnahme, es schlägt gnadenlos zu, wenn es dazu eingeladen wird. Und so stagnieren die Zahlen trotz der redlichen Bemühungen so vieler Menschen. Wir kommen nicht wirksam nach unten. Die Krankenhäuser füllen sich und kommen mancherorts an die Grenze.
Heute habe ich mir aber die Freude am Bergsteigen nicht verderben lassen. Das Wetter war einfach traumhaft. Wolkenlos, strahlende Sonne, Windstille, so dass man am Gipfel hätte ewig sitzen können. Die Berge schneebedeckt, auch das Schillereck, mit einem wunderbar trockenen Schnee, in dem man hervorragend bergsteigen konnte. Unten im Tal aber alles unter einer geschlossenen Wolkendecke und eisig kalt. – Es ist vielleicht ein gutes Gleichnis für unsere derzeitige Situation: Wir leben seit Beginn der zweiten Welle unter einer dichten Wolkenschicht, durch die kaum Licht nach unten dringt. Es ist ungemütlich kalt und trostlos. Aber ab und zu können wir zur Sonne hinaufsteigen und die Seele mit den Eindrücken und der Wärme füllen bis zum Rand. Das gibt uns Kraft für Tage und Wochen. – Es müssen nicht Bergtouren sein. Jede und jeder hat sicher seine eigenen Wege, zum Licht der Sonnenstrahlen vorzudringen.
Ein letztes Mal widme ich den Rundbrief heute der Lesung des Adventssonntags. Denn es ist morgen schon der vierte und letzte. Die Zeit fliegt trotz Corona dahin. Wer möchte, findet die gesamte Liturgie des morgigen Sonntags unter: www.erzabtei-beuron.de/schott/schott_anz/index.html;
ERSTE LESUNG: 2 Sam 7, 1-5.8b-12.14a.16
Lesung aus dem zweiten Buch Samuel
Als König David in seinem Haus wohnte und der HERR ihm Ruhe vor allen seinen Feinden ringsum verschafft hatte, sagte er zu dem Propheten Natan: Ich wohne in einem Haus aus Zedernholz, die Lade Gottes aber wohnt in einem Zelt. Natan antwortete dem König: Geh nur und tu alles, was du im Herzen hast; denn der HERR ist mit dir.
Aber in jener Nacht erging das Wort des HERRN an Natan: Geh zu meinem Knecht David und sag zu ihm: So spricht der HERR: Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne? Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über mein Volk Israel wirst, und ich bin überall mit dir gewesen, wohin du auch gegangen bist. Ich habe alle deine Feinde vor deinen Augen vernichtet und ich werde dir einen großen Namen machen, der dem Namen der Großen auf der Erde gleich ist. Ich werde meinem Volk Israel einen Platz zuweisen und es einpflanzen, damit es an seinem Ort wohnen kann und sich nicht mehr ängstigen muss und schlechte Menschen es nicht mehr unterdrücken wie früher und auch von dem Tag an, an dem ich Richter in meinem Volk Israel eingesetzt habe. Ich verschaffe dir Ruhe vor allen deinen Feinden.
Nun verkündet dir der HERR, dass der HERR dir ein Haus bauen wird. Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. Ich werde für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein. Dein Haus und dein Königtum werden vor dir auf ewig bestehen bleiben; dein Thron wird auf ewig Bestand haben.
Wort des lebendigen Gottes
Ich vermute wir können den David dieser Geschichte gut verstehen: Da ist Jerusalem zu einer fest gebauten und ummauerten Stadt geworden (nach der Geschichte! Nach den archäologischen Ausgrabungen geschah das wohl rund zwei Jahrhunderte nach David). Da hat sich David einen Palast aus teurem libanesischen Zedernholz gebaut, in dem er wohnt und in dem die königliche Verwaltung Platz hat. Da ist alles bestens geordnet. Nur die Bundeslade, der Thron des unsichtbaren Gottes, befindet sich noch immer in einem Zelt. Das kann doch unmöglich so bleiben! Das ist doch eine Schande – so als ob Israel seinen Gott vergessen habe oder als ob dieser ihm nichts wert sei! Eher schon ginge es umgekehrt: Gott wohnt in einem herrlichen Tempel und David campiert im Zelt.
In der Erzählung reagiert Gott auf Davids Absicht verständnisvoll. David soll tun, was immer ihm sein Herz befiehlt, Gott ist mit ihm. Dann aber antwortet Gott mit einer langen Aufzählung all dessen, was ER getan hat, nicht David: Was also ist an und durch David geschehen, was nicht Gott gewirkt hätte? Diese Aufzählung dient nicht dazu, David unendlich demütig und dankbar zu machen oder gar die Machtverhältnisse geradezurücken und ihn als Untertanen auszuweisen. Nein, David soll Vertrauen in die Zukunft fassen. So wie die Vergangenheit nicht David gestaltet hat, sondern Gott, so wird dies auch in Zukunft sein – und das ist gut. Gott wird ein unsichtbares Haus bauen, das „Haus Davids“, das königliche Geschlecht seiner Nachfahren. Diese Zukunft, so die Zusage, ist ewig – sie übersteigt alle menschlichen Vorstellungen.
Nun ist der Text zu einer Zeit geschrieben, da das davidische Königtum vernichtet und der Tempel zerstört ist. Israel befindet sich im babylonischen Exil und hat nicht die geringste Perspektive, wie es für das Volk weitergehen kann. Genau in diesem Moment wird David für die Gefangenen zum Übervater der Nation und die gigantische Verheißung an ihn zur Verheißung an die Deportierten in der Gefangenschaft: Ihr selber könnt keinen Tempel bauen, wenn ihn Gott nicht baut. Auch wenn ihr irgendwann nach Jerusalem zurückkehren könnt, wird es Gottes Werk sein, wenn der Tempel wiederersteht. Und noch viel mehr, wenn Davids Geschlecht wieder die Königsherrschaft über Juda übernehmen kann.
Ein halbes Jahrhundert später ist der Tempel wieder aufgebaut. Aber ein unabhängiges Königtum gibt es in Israel nicht mehr. Die frühe Kirche schließlich erlebt 70 n.Chr. die Zerstörung des zweiten, nach dem babylonischen Exil wiederaufgebauten Tempels und der ebenfalls wiederaufgebauten Stadt Jerusalem. Angesichts dieser Katastrophe ist ihr klar, dass die Königsherrschaft des Messias ganz anders ist als man sie vorher erwartet hat. So sehen die Evangelien nach Matthäus und Lukas (anders als Markus und Johannes!) in Jesus den verheißenen Nachfolger aus dem Geschlechte Davids. Dafür müssen sie mühsam erklären, warum Jesus in Bethlehem und nicht, wie Markus und Johannes annehmen, in Nazareth geboren wurde. Einen Tempel baut dieser so andere Messias aus dem Geschlechte Davids allerdings nicht – im Gegenteil: Er will ihn niederreißen, wie alle Evangelisten übereinstimmend berichten (Mk 15,29; Mt 27,40; Joh 2,19; Apg 6,14). Symbolisch wirft er die Tische der Geldwechsler und Opfertierverkäufer um und bedroht sie und die Priester damit in ihrer Existenz. Deswegen wird er gekreuzigt.
Seit dem Mittelalter zeigen die Weihnachtsdarstellungen die Geburt Jesu meist in der Ruine einer Kirche. Damit drücken sie aus, dass die Kirche ein ziemlich verkommener und verrotteter Laden ist – wie einst der Tempel. Aber genau in diesen verrotteten Laden will Gott kommen. Weil es wir sind, die zu diesem verrotteten Laden gehören.
So schließe ich mit dem Lied Nr. 227 im Gotteslob. Es stammt von Ambrosius von Mailand (geboren 339 n.Chr. in Trier, gestorben als Bischof von Mailand 397 n.Chr.) und ist eines der ältesten Kirchenlieder überhaupt. Gerne lade ich ein, es zuhause miteinander zu singen.
Komm, du Heiland aller Welt.
Sohn der Jungfrau, mach dich kund.
Darob staune, was da lebt:
Also will Gott werden Mensch.
Wie die Sonne sich erhebt
und den Weg als Held durcheilt,
so erscheint er in der Welt,
wesenhaft ganz Gott und Mensch.
Glanz strahlt von der Krippe auf,
neues Licht entströmt der Nacht.
Nun obsiegt kein Dunkel mehr,
und der Glaube trägt das Licht.
Gott dem Vater Ehr und Preis
und dem Sohne Jesus Christ.
Lob sei Gott dem Heil'gen Geist
jetzt und ewig. Amen.
Einen gesegneten vierten Advent und ein gutes Zugehen auf das nahe Fest wünscht euch/ Ihnen
Michael Rosenberger