Liebe Pilgernden auf dem Weg in die Fastenzeit,
die Ereignisse der letzten Tage haben uns alle tief erschüttert. Mitten in Europa ist Krieg. Die jüngste Demokratie dieses Kontinents, die in den letzten Jahren eine so verheißungsvolle Entwicklung durchlaufen hat, wird zerstört. Ein freies und unabhängiges Land wird wieder zum Vasallenstaat einer Diktatur und putinisiert werden. Ganz zu schweigen von den vielen Opfern dieses brutalen Vorgangs. Seit den ersten Nachrichten vom Angriff Russlands auf die Ukraine spüre ich auch ganz körperlich, wie sehr mich das fassungslos macht und bedrückt. Und ich gebe zu, dass ich mich für das Verhalten Deutschlands schäme, das noch immer nicht bereit ist, Russland aus dem Bankenzahlungssystem SWIFT auszuschließen. Österreich hat seine Haltung gestern korrigiert, Deutschland nicht. Ich frage mich, worauf man eigentlich noch wartet, um diesen wirklich harten Schritt gegen Russland zu setzen. Es müsste uns doch spätestens jetzt klar geworden sein, dass die Verteidigung von Demokratie und Freiheit etwas kostet – in Euro und Cent. Natürlich werden die Gaspreise dann weiter steigen. Natürlich wird es uns wehtun. Aber es ist das einzige wirklich klare Signal, um aller Welt zu zeigen, was Demokratie wert ist.
Schon 2007 hat Putin auf der Münchener Sicherheitskonferenz den jetzigen Schritt angekündigt. Er will zurück zum früheren russischen Großreich. Die Ukraine wird, sofern er noch länger lebt, nicht das letzte Opfer sein, das er sich einverleibt. Wir werden also nicht umhinkommen, uns aus der Komfortzone herauszubewegen und uns die unbequeme Frage zu stellen, was uns unsere Freiheit wert ist – und das meine ich zunächst einmal rein ökonomisch. Ich jedenfalls könnte meinen wenigen ukrainischen Bekannten derzeit nicht erklären, warum Deutschland sich selbst in puncto Sanktionen so passiv verhält.
Rechtzeitig vor dem Aschermittwoch sende ich heute meinen vorerst letzten Rundbrief. Vorausschauend möchte ich einige Impulse zur Gestaltung der Fastenzeit geben. Die Umweltarbeit der Diözese Linz, an der ich als diözesaner Umweltsprecher beteiligt bin, veranstaltet in diesem Jahr eine besondere Fastenaktion:
40 Tage fleischfrei: Gerechter leben – gesünder essen – bewusster genießen
Worum geht es? In den letzten Jahren ist der Verzehr von Fleisch in die Diskussion gekommen. Gerade junge Menschen entscheiden sich immer öfter zu einem vegetarischen oder sogar veganen Lebensstil. Und jene, die weiterhin Fleisch essen wollen, fragen sich zunehmend, wo und wie die Tiere gehalten wurden, von denen ihr Fleisch auf dem Teller stammt. Denn Art und Menge des Fleischkonsums hat Auswirkungen auf die Zukunft der Landwirtschaft, die Länder im globalen Süden, die Tiere sowie Klima und Lebensvielfalt der Erde.
Die Frage nach dem richtigen Maß des Fleischverzehrs ist uralt. Schon sehr früh hat die Kirche fleischfreie Wochentage eingeführt, den Mittwoch und den Freitag. Und nahezu 1500 Jahre lang galt in der katholischen Kirche eine strikte Fleischabstinenz während der gesamten vierzig Tage der Fastenzeit. Noch heute erinnert der Name der Tage vor dem Aschermittwoch daran: „Karneval“ heißt wörtlich übersetzt „Fleisch, lebe wohl!“
An diese alte Tradition möchten wir wieder anknüpfen und laden deshalb ein, vierzig Tage lang auf den Genuss von Fleisch, Wurst und Fisch zu verzichten. Der erste Tag ist der Aschermittwoch, der letzte Tag der Karsamstag. An Ostern ist die Aktion beendet. Wer es nicht ganz so streng nehmen will, kann die alte Tradition des „Sonntagsbratens“ wieder aufgreifen und an den Sonntagen der Fastenzeit eine Fleischmahlzeit essen – die Fastenzeit ist ja so berechnet, dass sie vierzig Werktage enthält, die Sonntage sind hochoffiziell ausgenommen.
Was wollen wir mit der Aktion erreichen? Unsere Ziele sind:
- Das Erproben eines befristet fleischfreien Lebens,
- Die Bewusstmachung des ökologischen, tierethischen, gesundheitlichen und sozialen Impacts des Fleischkonsums,
- Die Motivation, Fleisch (und andere Lebensmittel) höher zu schätzen, gezielter einzukaufen und mehr dafür zu zahlen.
Die Aktion wird von einer Vielzahl an Partnerorganisationen unterstützt: von der Österreichischen Bergbauernvereinigung Via Campesina OÖ; Caritas OÖ; youngCaritas OÖ; Katholische Aktion OÖ; Katholische Jungschar OÖ; Katholische Jugend OÖ; Katholische Frauenbewegung OÖ; Katholischen Bildungswerk OÖ; Bildungshaus Puchberg; Dominikanerhaus Steyr; Welthaus der Diözese Linz.
Ab Aschermittwoch wird eine eigene Homepage mit weiteren Informationen zugänglich sein: www.vierzig-tage-fleischfrei.at. Über Facebook und andere soziale Medien werden von den Unterstützerorganisationen zweimal wöchentlich kurze Impulse verschickt: persönliche Zeugnisse von Persönlichkeiten der beteiligten Organisationen sowie Rezepte für vegetarische Gerichte.
Ich würde mich freuen, wenn viele von euch/ Ihnen sich beteiligen. Zum Ansporn können ein paar Sätze dienen, die der hl. Bischof Basilius von Caesarea, der Stammvater des ostkirchlichen Mönchtums (also gleichsam der hl. Benedikt von Nursia des Ostens) und Wegbereiter des konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses, das wir heute noch in jedem Gottesdienst beten, zu Beginn einer Fastenzeit zwischen 370 und 378 n.Chr. gepredigt hat:
„Das Fasten war schon im Paradies ein Gebot. Das erste Gebot, das Adam erhielt, lautete: ‚Vom Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollt ihr nicht essen!‘ (Gen 3,17) […] Ja selbst das Leben im Paradies ist ein Vorbild des Fastens, nicht nur insofern der Mensch engelgleich wandelte und durch Genügsamkeit die Ähnlichkeit mit den Engeln bewahrte, sondern auch, weil alles, was Menschenverstand danach ersann, wie das Weintrinken, das Schlachten der Tiere, überhaupt alles, was den Menschengeist trübt, den im Paradiese Lebenden noch nicht bekannt war. […] Kein Tier beklagt seinen Tod; kein Blut wird vergossen; kein Todesurteil wird von dem unerbittlichen Bauche gegen die Tiere gesprochen; es ruht das Messer der Schlächter. Der Tisch begnügt sich mit dem, was von selbst wächst.“ (Basilius von Caesarea, Homilia 1, 3 und 7)
Zum Abschied möchte ich allen den Gedanken eines Liedes mitgeben, das in beiden Pandemiejahren den Abschluss der Fastnacht in Franken in Veitshöchheim gebildet hat: „Halt mer zam!“ (Auf hochdeutsch: Halten wir zusammen!) von dem Ansbacher A-capella-Männerquartett Viva Voce, das im Übrigen auch eine Reihe sehr schöne religiöse Lieder komponiert hat: Die Versionen der Fastnacht 2021 empfehle ich beide gleichermaßen zum Anhören und -sehen. Der Text des Liedes (teils im Dialekt, teils in Hochdeutsch geschrieben) lautet:
Es is‘ irgendwie ganz anders im Moment.
So ein bissel durcheinander im Moment.
Is ned leicht, des zu verstehen im Moment.
Scheint so vieles ned zu gehen im Moment.
In ein paar Jahr‘n schau’n wir zurück und sagen dann:
Na, zum Glück ist damals alles gut gegang’n.
Halt mer zam in wilden Zeiten, halt mer zam und häng’n uns ein.
Wenn uns Sturm und Not begleiten, macht’s uns stärker, eins zu sein!
Halt mer zam, es geht scho weider und die Sonn‘ geht wieder auf.
Wo ‘was Altes wegfällt, bricht ‘was Neues an.
Halt mer zam, … (7x)
Es wird leichter, klar zu denken irgendwann.
Könnt‘ es uns nicht Hoffnung schenken irgendwann.
Denn es lässt sich alles machen irgendwann.
Wir wer’n wieder ohne Dämpfer lachen irgendwann.
In ein paar Jahr’n schau’n wir zurück, sag’n: Weißt du noch?
Es schien aussichtslos, und schaudernd ging es los!
Halt mer zam in wilden Zeiten, halt mer zam und häng’n uns ein.
Wenn uns Sturm und Not begleiten, macht’s uns stärker, eins zu sein!
Halt mer zam, es geht scho weider und die Sonn‘ geht wieder auf.
Wo ‘was Altes wegfällt, bricht ‘was Neues an.
Halt mer zam, … (7x)
Mit diesen Sätzen wünsche ich eine segensreiche Zeit auf Ostern zu und grüße Sie/ euch alle herzlich,
Michael Rosenberger