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Eine Antwort von Professor Dr. Michael Rosenberger

Wallfahrt – beste Zeit für die Beichte?

Unbequeme Dinge schieben wir Menschen gerne vor uns her: „Morgen, aber bitte nicht heute!“ Schon der heilige Augustinus hat diese Erfahrung gemacht – und sie auf großartige Weise in seinen Bekenntnissen beschrieben. Umkehr und Neuanfang gehören zu diesen unbequemen Dingen, und mithin auch die Beichte. Gerne schieben wir sie vor uns her.

Die Kirche kennt die menschliche Trägheit – und empfiehlt deswegen manche Zeiten als besonders geeignet für das Sakrament der Umkehr und Buße. Genauerhin gibt sie uns zwei Gruppen von „Kairoi“, von idealen Zeitpunkten an die Hand. Zum einen gibt es Momente der eigenen Lebensgeschichte, in denen eine Beichte den idealen Zeitpunkt findet: Vor der ersten heiligen Kommunion eines Kindes – vor dem Schulabschluss und Eintritt ins Berufsleben – vor der Heirat zweier sich liebender Menschen – vor einem Jubiläum – vor dem Sterben. An den Schwellen des eigenen Lebens wird dieses regelmäßig besonders fragwürdig. Mehr als sonst bedrängen uns (vorausblickend) Ängste und Zweifel, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Mehr als sonst werden uns dann auch (zurückschauend) die dunklen Phasen der eigenen Lebensgeschichte bewusst. Genau deswegen ist hier das Angebot der Beichte besonders angebracht.

Zum anderen kennt die Kirche aber auch seit alters her bestimmte überindividuelle Zeiten im Jahreslauf, die zum Beichten besonders geeignet sind. Jahrhunderte lang wurde die Beichte überhaupt nur in der Fastenzeit angeboten. Als Vorbereitungszeit auf Ostern, als Zeit der inneren Erneuerung und Umkehr bietet diese sich wie keine andere Zeit im Kirchenjahr für die Beichte an. In abgestufter Weise gilt das auch für die Vorbereitungszeiten vor anderen großen Festen – beispielsweise vor Weihnachten.

Wallfahrten finden vermutlich selten zu einem der genannten Zeitpunkte statt. Weder stehen Pilgerinnen und Pilger im Regelfall vor einer der großen Schwellen ihres Lebens (was eigentlich der Idealfall für eine große Wallfahrt wäre!) noch machen sie die Wallfahrt unmittelbar vor Ostern oder Weihnachten. Und doch glaube ich, dass die Wallfahrt eine der besten Zeiten ist, um fruchtbringend und ehrlich zu beichten. Denn irgendein wichtiges Anliegen aus der eigenen Lebensgeschichte trägt ein Wallfahrer eigentlich immer mit sich im geistigen Gepäck, um es am Gnadenaltar des Wallfahrtsortes niederzulegen und Gottes Händen anzuvertrauen. Und mehr als im Alltag wird er unterwegs mit diesem Anliegen konfrontiert. In den Schmerzen und Anstrengungen des Gehens erlebt er leibhaftig und existenziell die Schmerzen jenes Problems, das er als Anliegen mitträgt.

In meinen Wallfahrtsgruppen erlebe ich immer wieder, wie unterwegs lang verdrängte Lebensprobleme aufbrechen und einen Menschen ergreifen. Bewegende Aussprachen und erschütternde Beichten gehören zum Normalfall in einer Wallfahrtsgruppe. Wenn – ja wenn es ein entsprechendes seelsorgerliches Angebot dazu gibt. Ich bleibe häufig am Ende der Wallfahrtsgruppe zurück, damit Beichtwillige mich ansprechen und aufsuchen können. Wir gehen dann in gebührlichem Abstand hinter der Gruppe her, so dass uns niemand hört, und können Gottes Wegweisung für einen Neuanfang und sein vergebendes Wort hören.

Nicht in jeder Wallfahrtsgruppe wird ein Priester mitgehen. Aber auch ein Diakon oder Laienseelsorger kann – sofern er oder sie entsprechend geschult und qualifiziert ist – eine Aussprache anbieten. Und schließlich gibt es hoffentlich an jedem Wallfahrtsort auch gute Beichtpriester, denen man sein Herz ausschütten kann. Dafür sollten die Bischöfe jedenfalls große Sorge tragen. Denn wer dunkle und schuldhafte Belastungen seines Lebens auf einer Wallfahrt nicht loswerden kann – wo und wann soll der sie denn sonst loswerden?