Von Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, Linz
1. Grundüberlegungen
- Der Begriff Wallfahrt kommt etymologisch von „wandeln“, was einerseits ein langsames, schreitendes Gehen meint, andererseits einen inneren Prozess der Veränderung.
- Erstes und oberstes Ziel einer Wallfahrt wie auch einer Pilgerreise ist folglich die Wandlung der Teilnehmenden. Es geht um deren möglichst intensive und dauerhafte Erneuerung im Glauben.
- Die Mittel, um diese Erneuerung zu erreichen, sind auf einer Pilgerreise teilweise dieselben wie bei einer Wallfahrt. Manche Mittel hingegen lassen sich nicht oder höchstens verkürzt einsetzen, weil die Pilgerreise nicht aus eigener Körperkraft zurückgelegt wird. Im Folgenden werden also solche Mittel genannt, die von klassischen (Fuß-) Wallfahrten auf Pilgerreisen übertragbar sind.
2. Zielsetzungen
- Auf einer Pilgerreise sollten das Gesamtkonzept, die Impulse an den einzelnen Orten sowie die liturgischen Feiern optimale Anstöße zu einer Glaubenserneuerung der Teilnehmenden geben.
- Im günstigsten Fall sollten alle (!) Teilnehmenden während der Reise ein (Beicht-) Gespräch mit dem geistlichen Begleiter führen.
3. Praktische Umsetzung
3.1 Wallfahren hat ein Ziel
- Pilgern ist kein Herumvagabundieren! Wer pilgert, hat ein Ziel vor Augen, auf das er zielstrebig zugeht.
- Es muss klar sein, was das eigentliche Hauptziel einer Pilgerreise ist. Wer den Reiseverlauf anschaut, muss das sofort erkennen können.
- Es muss ebenfalls erkennbar sein, für welche Teilbotschaft des Evangeliums der Zielort steht, d.h. welchem Glaubensthema die Pilgerreise gewidmet ist (am besten schon im Titel!).
- Hin- und Rückweg zum Ziel der Pilgerreise sollten möglichst geradlinig sein. Die Zwischenstationen sollten so gewählt sein, dass sie auf der Hinreise die Spannung Schritt für Schritt steigern und auf der Rückreise allmählich wieder dem Alltag entgegenführen. Immer muss aber die Botschaft des Zielorts vor Augen bleiben.
- „Ausflüge“ gibt es für Pilgerinnen und Pilger nicht. Bestenfalls kann es Abstecher zu weiteren, für den Glauben relevanten Zielen geben.
3.2 Wallfahren heißt Aufbrechen
- Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Pilgerreisen brauchen die ersten geistlichen Tipps bereits für einen guten Abschied von zuhause: Hinweise, was man auf einer Pilgerreise vielleicht besser daheim lässt, Hinweise zur Verabschiedung sowie zur eigenen religiösen Vorbereitung.
- Am Beginn der gemeinsamen Pilgerreise müsste eine Liturgie in die Situation der Pilgerfahrt einführen (thematisch und symbolisch): ein Pilgerzeichen, ein persönlicher Einzelsegen, vielleicht auch das Vorstellen eines festen, täglich mehrfach gebeteten Pilgergebets.
- Was kann getan werden, damit die nötige Distanz zu den Angehörigen daheim und auch zum (politischen und öffentlichen) Leben daheim hergestellt wird? Welche Hinweise sollte man den Teilnehmenden geben?
3.3 Wallfahren heißt Wandlung
- Wandlungsprozesse folgen bestimmten Phasen und Stufen (s. Michael Rosenberger, Wege, die bewegen, S. 74-78). Nur wenn der Charakter des Weges und die geistlichen Anstöße entsprechend den Stufen des Wandlungsprozesses gewählt werden, kann eine echte Wandlung der Teilnehmer gefördert werden.
- Die Route einer Wallfahrt beziehungsweise das Tagesprogramm muss entsprechend diesen Phasen ausgewählt werden. Welche Orte passen zu welcher Phase? Beobachtung: Oft lassen sich Programmpunkte gut in eine andere Reihenfolge bringen, weil sie ohnehin vom selben Hotel aus angesteuert werden!
- Die Kunst des geistlichen Begleiters ist es, jeweils Impulse zu geben, die den fünf Phasen entsprechen. Es gilt, ein Gesamtkonzept des geistlichen Programms auszuarbeiten und nicht einfach irgendwelche Impulse zu geben, die einem selber gefallen.
3.4 Wallfahren ist ein Globalisierungsfaktor
- Kirche ist „katholisch“, das heißt weltumspannend, allgemein, global. Die Kirche ist die älteste globale Organisation der Welt. Dieses Potenzial gilt es gerade auf einer katholischen Wallfahrt zu nutzen.
- Welche Gelegenheiten und Ausdrucksformen gibt es, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Pilgerreise die Internationalität von Kirche erleben? Wo ist es dringend geboten, keine eigene Liturgie in der (Kuschel-) Gruppe zu feiern, sondern sich den gruppenübergreifenden Liturgien vor Ort anzuschließen? Wie kann man sich hier mit der eigenen Gruppe einbringen?
- Gibt es auf der Pilgerreise Möglichkeiten der ökumenischen oder interreligiösen Begegnung? Wie können solche Möglichkeiten sinnvoll genutzt werden?
3.5 Wallfahren ist ein Vorgeschmack des Himmels
- Fast jeder Wallfahrtsort hat bestimmte Rituale, denen sich die Pilgerinnen und Pilger unterziehen. Diese bedürfen oft aber einer besonderen Aufmerksamkeit, damit sie würdig gestaltet und damit sie von den Teilnehmern verstanden werden können.
- Oft wird das vorbereitende Gespräch über Pilgerrituale hilfreich sein, damit sie die Teilnehmenden nicht überrumpeln. Abergläubische Missverständnisse gilt es auszuräumen.
- Ein besonders festliches Mahl am Ziel kann die Freude vertiefen.
3.6 Wallfahren ist Zurückkehren
- Es geht unweigerlich zurück in den Alltag. Dort begegnet uns Gott!
- Wie kann durch eine abschließende Liturgie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Weg in den Alltag bereitet werden (symbolisch und durch inhaltliche Impulse)?
- Welche Tipps könnten es den Teilnehmenden erleichtern, gut zuhause anzukommen?
3.7 Wallfahren lebt vom Gleichschritt
- Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Am nachhaltigsten wird er jene spirituellen Formen mit in den Alltag nehmen können, die er tagtäglich gleich erlebt.
- Morgen- und Abendgebet sollten möglichst gleichförmige Struktur haben. Es braucht keine sprühende Fantasie, die immer neue Ideen hervorzaubert. Die Pilgerorte wirken von selbst.
- Tipp für das Abendgebet: Meditative Tagesrückschau im Sinne des ignatianischen „Gebets der liebenden Aufmerksamkeit“. Für Ignatius die wichtigste Gebetszeit des Tages!
- Ein täglich ein- oder mehrmals gebetetes „Pilgergebet“ kann zum vertrauten Begleiter werden.
4 Die Wichtigkeit eines guten Pilgerbuchs
- Grundlage für die Liturgien
- Spirituelle Impulse für die einzelnen Tage und Orte
- Sachinformationen zu den einzelnen Orten