Kleine Theologie der Wallfahrt
Von Professor Michael Rosenberger
Europa erlebt seit Ende der 1980er Jahre ein Phänomen, das vorher niemand zu prognostizieren gewagt hätte: Wallfahrten erleben einen Boom. Ob sie im kleinen Bereich der eigenen Heimat stattfinden und nur einen oder zwei Tage dauern oder ob es sich um die großen Pilgerfahrten der europäischen Christenheit handelt, ob es eine Dorfpfarrei ist, die sich auf den Weg begibt, ob eine ganze Diözese oder eine große kirchliche Organisation: Wallfahren ist „in" – und zwar Wallfahren im engeren Sinn, ohne Auto, Bus, Zug oder Flugzeug.
Am Beispiel der momentan bedeutendsten Fußwallfahrt, jener zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela, sei dies schlaglichtartig verdeutlicht: Waren es 1989 gerade einmal 3268 Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad mindestens 200 Kilometer nach Santiago gepilgert waren und daher eine Pilgerurkunde erhielten, hatte sich diese Zahl fünf Jahre später bereits verfünffacht. Weitere acht Jahre später war nochmals fast eine Verfünffachung eingetreten: 2002 erreichten 68952 Personen ihr Pilgerziel. Interessant ist, dass gemäß den offiziellen Statistiken der überwältigende Teil der Pilgerinnen und Pilger wenigstens teilweise aus religiösen Motiven unterwegs ist. Auch altersmäßig weist die Pilgerfahrt nach Santiago eine für die gegenwärtige mitteleuropäische Glaubenspraxis ungewöhnliche Struktur auf: Mehr als ein Drittel der Wallfahrenden ist unter 30 Jahre alt, weniger als 10 Prozent über 60. Des Weiteren suchen und finden mittlerweile auch evangelische Pfarrer und Gemeinden, deren Kirche Jahrhunderte lang das Wallfahren als pure „Werkgerechtigkeit" gegeißelt hatte (zugegebenermaßen nicht immer zu Unrecht), einen Zugang zum Medium der Wallfahrt. Ausgerechnet das Wallfahren, vom Ursprung der Reformation her ein Stein des Anstoßes und ein Faktor der Spaltung, ist zum Medium ökumenischer Verbindung und gemeinsamer Spiritualität geworden. Schließlich wird, wer auf Wallfahrt geht, viele Menschen treffen, die ansonsten in der Kirche bestenfalls an Ostern und Weihnachten auftauchen.
Das Pilgern scheint also eine Form der Frömmigkeit zu sein, die dem heutigen Menschen mehr entspricht als viele andere kirchlichen Ausdrucksmedien. Damit handelt es sich um eine große pastorale Chance, hier Menschen zu begleiten und ihnen den Glauben zu öffnen. Um dies freilich leisten zu können, bedarf es einer soliden Anthropologie und Theologie der Wallfahrt.
Eine Problemanzeige
Dem offenkundigen Boom des Wallfahrens zum Trotz: Es gibt bislang keine Theologie der Wallfahrt. Wer auch nur Ansätze einer solchen sucht, wird sich vergeblich mühen. Obgleich das Bild vom pilgernden Volk Gottes das Grundmotiv des II. Vatikanischen Konzils verkörpert, steht eine systematisch-theologische Reflexion der Wallfahrt bis heute aus. Wissenschaftlich gesehen bleibt sie ein Thema der Religions- und Bibelwissenschaft, von Geschichte und Volkskunde. Wird die Wallfahrt also noch immer als pure Volksfrömmigkeit betrachtet, als zweitrangige Form des Glaubens, die hinter den eigentlichen Vollzügen der ersten Reihe, also den Sakramenten, weit zurück bleibt? Wird es nicht als lohnend angesehen, dem Phänomen Wallfahrt theologisch auf den Grund zu gehen?
Ein privilegierter theologischer Ort
Das beschriebene Reflexionsdefizit steht im Kontrast zu dem Potenzial, das gerade die Wallfahrt für theologisches Nachdenken besäße. Denn im Vollzug der Wallfahrt bündeln sich zentrale theologische Aussagen und werden in dichter Weise für den heutigen Menschen erfahrbar. Dieses Potenzial lässt sich vorab am besten abschätzen, wenn man die Wallfahrt als das versteht, was sie im besten Wortsinn ist: Liturgie – Gottesdienst des Gottesvolkes. Im Vergleich zu anderen liturgischen Vollzügen weist die Wallfahrt eine Reihe von unschlagbaren Vorteilen auf. Denn es gibt keine andere Form der Liturgie,
- bei der die Gläubigen am liturgischen Vollzug so intensiv beteiligt sind,
- in der der leibliche Vollzug so unmittelbar zu spüren ist,
- die ein so direktes Erleben der Welt und der Schöpfung ermöglicht,
- die eine solche zeitliche Dauer hat.
Von daher stellt die Wallfahrt einen herausragenden Ort der Liturgie und einen vorzüglichen theologischen Ort dar. Dem steht das faktische theologische Vakuum diametral entgegen, das den Gegenstand Wallfahrt wie ein Niemandsland erscheinen lässt.
Genau hier setzt meine Abhandlung an: Ich möchte die existenziellen Erfahrungspotenziale der Wallfahrt benennen und sie auf dem Hintergrund der nachkonziliaren Theologie reflektieren. Hieraus lassen sich dann spirituelle Grundhaltungen ebenso ableiten wie liturgische und pastorale Konsequenzen. Nun sind die letzten Jahrzehnte im spirituellen und kirchlichen Bereich von Wegmetaphern regelrecht überflutet. Oft werden sie wenig reflektiert eingesetzt und offenbaren erschreckende theologische oder anthropologische Defizite. Oft sind sie einfach nur platt und trivial. Vom Weg und vom Unterwegssein lässt sich leicht dahin reden. Es gilt also die Spreu vom Weizen zu trennen. Mit anderen Worten: Es geht um eine präzise Beschreibung jener anthropologischen Strukturen, die sich hinter der alten Formel vom „homo viator", vom „Pilger Mensch" verbergen. Was meint es eigentlich, wenn wir den Menschen als Pilger definieren? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für unser Verständnis der Wallfahrt?
on Professor Michael Rosenberger
Alles beginnt mit der Sehnsucht", heißt ein modernes Lied von Manfred Siebald. Und in der Tat: Wünsche und Erwartungen sind der Motor menschlichen Verhaltens. Während sich aber Erwartungen vorwiegend auf kleinere Dinge beziehen, bezeichnet der Begriff „Sehnsucht" jene Regung, die sich auf die Grund legenden Sinnhorizonte des eigenen Lebens bezieht. In der Sehnsucht streckt sich der Mensch aus nach umfassender Erfüllung, nach Zufriedenheit, nach Glück.
Wenn hier also behauptet wird, dass Pilger von Sehnsucht getrieben sind, dann ist dies gleichbedeutend mit der Aussage, dass sie auf der Wallfahrt eine Antwort auf die großen Lebensfragen suchen. Wallfahrten unternimmt niemand „einfach so" ohne jeden Grund. Selbst Nichtglaubende betrachten einen Pilgerweg nicht wie eine Urlaubsreise. Auch für sie gibt es, wenn sie ehrlich sind, tiefer reichende Motive, und das ist gut so.
Kaum jemand hat so eindringlich von der menschlichen Sehnsucht gesprochen wie der heilige Augustinus. Kein Satz drückt dies deutlicher aus als jener am Beginn seiner „Bekenntnisse": „Du hast uns, Herr, auf dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir" (Cf 1,1). Mit jeder Faser seiner Existenz ist der Mensch auf seinen Schöpfer hin ausgerichtet. In seinem Innersten ist er von einer Grund legenden Dynamik bewegt, die ihn vorwärtstreibt. Diese Dynamik findet ihr Ziel allein in jener Ruhe, die der Mensch in der Vollendung bei Gott erfahren soll. Deshalb verweist der Anfang der „Bekenntnisse" bereits auf das Ende des Werks, wo die Ruhe des ewigen Sabbats dargestellt wird.
Die Mitte des Herzens
Die bildhafte Rede vom unruhigen Herzen kommt im augustinischen Gesamtwerk eher selten vor. Meist begegnet der abstrakte Sachbegriff „Sehnsucht". Auf großartige Weise fügt Augustinus beide Begriffe zusammen, wenn er sagt: „Des Herzens Mitte ist die Sehnsucht" (Io 40,10). Augustinus sieht in der Sehnsucht also das eigentlich Menschliche (Io 18,7): Ihr Wachsen und ihre Ausrichtung auf Gott ist das Menschlichste, was dem Menschen aufgetragen ist.
Entscheidend für diese positive Wertung der Sehnsucht bei Augustinus ist: Sie (allein) kann uns zu Christus führen. Der Mensch soll traurig sein, wenn er sich auf seiner Pilgerschaft von Christus weg bewegt, er soll begehren, mit Christus die Herrlichkeit zu erleben und sich bereits auf dem Weg der irdischen Pilgerschaft freuen, dass er einst mit Christus herrschen wird (Io 60,3). Sehnsucht kann sich daher nicht auf jedes Ziel hin ausrichten, sondern trägt eine inhaltliche Bestimmung in sich.
Es kann dem Menschen also an Nichts mehr gelegen sein, als die Sehnsucht nach Vollendung in sich zu entfachen. Denn nur dann wird er sich auf den Weg zu Gott machen, wenn er von innen heraus bewegt ist, wenn die Sehnsucht für ihn der entscheidende Beweggrund ist. Aber wenn er den Weg zur Vollendung einmal geht, beginnt für ihn schon jetzt das Leben des Himmels: „Auf Grund der Sehnsucht hast du bereits das Leben der Engel begonnen" (Io 18,7). Vollendung ist nicht etwas, das nach dem Tod ganz plötzlich über uns hereinbricht, sie ist schon jetzt im Vorgeschmack der Sehnsucht erfahrbar.
Was treibt mich auf diesen Weg?
Schon immer haben Pilgerinnen und Pilger Motive für ihre Wallfahrt benannt. Als religiöse Gründe beispielsweise die Vergebung von schwerer Schuld (Bußwallfahrt); die Bitte um Heilung eines lieben Menschen (Bittwallfahrt); die Erfüllung eines Gelübdes, das man in Lebensgefahr abgelegt hatte (Dankwallfahrt). Als „weltliche" Gründe beispielsweise die Hoffnung auf Arbeit entlang des Wallfahrtsweges; Handel; Reise- und Abenteuerlust. Natürlich konnten auch mehrere Beweggründe zusammenkommen. Es ist wichtig für eine gute Wallfahrt, sich vorher über die eigenen Motive Klarheit zu verschaffen: Was treibt mich an, mich auf diesen langen und beschwerlichen Weg zu machen? Was ist meine tiefere Sehnsucht auf diesem Weg? Solche Fragen sollte sich jeder Pilger vor dem Aufbruch stellen und beantworten. Wallfahrtsleiter sollten ausdrücklich zur Auseinandersetzung mit ihnen anleiten. So wichtig es ist, eine große Offenheit für das zu haben, was eine Wallfahrt bringt – wir können Gott nicht auf ein Ergebnis verpflichten –, so wichtig ist es zugleich, sich einen verbindlichen Wunsch mitzunehmen. Ähnliches gilt für das äußere Ziel: Eine Wallfahrt bedeutet eine Festlegung auf einen bestimmten Endpunkt, den man erreichen will. Dieser gibt dem Weg Verbindlichkeit, er verpflichtet und legt fest. Dabei ist es nicht bedeutsam, für welches Ziel sich ein Pilger entscheidet, sondern vielmehr, dass er sich für ein Ziel entscheidet. In einer Zeit, in der sich die Menschen immer weniger festlegen wollen, ist dies ein bedeutsames Moment des Pilgerns.
Schließlich muss die zeitliche Dauer des Unterwegsseins dem inneren Prozess entsprechen, den jemand ersehnt. Dass die Länge einer Bußwallfahrt im Mittelalter nach der Schwere einer begangenen Schuld bemessen wurde, macht durchaus Sinn. Denn eine wirkliche Umkehr von schwerer Schuld braucht Zeit, sie kann nicht von heute auf morgen bewältigt werden. Analog sollte für jedes Motiv überlegt werden, wie „umfangreich" es ist und welche Wallfahrtsdauer ihm angemessen ist.
Wallfahren heißt: Der eigenen Sehnsucht folgen. Doch Sehnsucht ist konkret. Sie bindet sich an benennbare Wünsche und an greifbare Ziele. Es ist entscheidend, dass Pilger sich selbst an solche Ziele binden.
Von Professor Michael Rosenberger
Wenn im Mittelalter ein Mensch zur Wallfahrt aufbrach, so verfasste er häufig zuvor sein Testament. Die Pilgerfahrt war damals ein hohes Risiko, viele Wallfahrer kehrten nicht mehr lebend nach Hause zurück. Sich zu einer Wallfahrt entschließen bedeutete daher einen radikalen Abschied vom bisherigen Leben und Lebensumfeld. Es war wie ein vorweg genommenes Sterben. – Zweifelsohne ist das Abschiednehmen vor einer Wallfahrt heute nicht mehr so einschneidend, die Gefahren sind recht überschaubar, und Kommunikationsmedien ermöglichen den Kontakt zu den Angehörigen. Was also heißt Loslassen und Aufbrechen heute?
Eine flüchtige Existenz
Im Psalm 103,15f heißt es: „Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin; der Ort, wo sie stand, weiß von ihr nichts mehr." Kaum ein anderes Bild kann die Flüchtigkeit der irdischen Existenz treffender ausdrücken. So schnell wie Gras welkt kaum eine Pflanze – ein paar Wochen des Wachsens und Blühens, dann naht das Ende. Zeitlich betrachtet ist auch die Existenz des Menschen ungeheuer eng begrenzt. Kaum hat das Leben begonnen, zieht es mit Riesenschritten dahin und nähert sich dem Ende. Nichts lässt sich festhalten. Die Flüchtigkeit des Augenblicks, so hart sie uns manchmal vorkommt, ist unumgänglich.
Genau aus diesem Grund verkörpert der Umgang mit der Sterblichkeit die wichtigste Form des Loslassens. In allen Epochen der Menschheitsgeschichte gehörte die bewusste Konfrontation mit dem Tod zu den unverzichtbaren Grundvollzügen von Kultur und Religion. Denn im Umgang mit dem Tod zeigt sich, ob das Leben des Menschen glückt und gelingt, ob in ihm ein Sinn aufscheint, der im Moment des Endes Gültigkeit behält. Das bewusste Zugehen auf den eigenen Tod ist die wichtigste Form menschlichen Loslassens.
Loslassen um zu gewinnen
Erstaunlich ist, dass die meisten biblischen Geschichten des Loslassens unter der Metapher des Aufbrechens erzählt werden: Loslassen heißt, sich auf den von Gott bestimmten Weg machen. Das gilt für die Erzelterngeschichten im Alten und noch eindrücklicher für die Berufungserzählungen im Neuen Testament. Doch wer sie liest, merkt schnell, dass sie in einem Ton der Hoffnung und Zuversicht geschrieben sind. Denn sie stehen unter dem Vorzeichen der göttlichen Verheißung. Und das meint nicht in erster Linie eine Verheißung jenseits des irdischen Lebens, sondern hier in dieser Welt: Wer loslassen kann, ist jetzt glücklich, nicht irgendwann! Loslassen ist der erste Schritt zu größerer Fülle und Freiheit.
Im meiner Meinung nach zentralen ethischen Wort Jesu wird diese Logik gut zusammengefasst: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer es aber um meinetwillen und des Evangeliums willen verliert, wird es retten." (Mk 8,35) Je mehr wir uns an Glücksmomente klammern, je mehr wir versuchen, das Glück zu machen, zu planen, zu kaufen, um so weniger werden wir es erreichen. Glücklich wird nur derjenige, der seine eigenen Wünsche und Interessen hergeben, sich selbst vergessen und hingeben kann, der von sich selbst absieht und den Blick auf das Du des Anderen richtet.
Mit Gottes Segen aufbrechen
Nirgends lässt sich Gelassenheit so gut einüben wie im leibhaftigen Verlassen gewohnter Bahnen, im Aufbrechen zu einer Reise. Insofern scheint es folgerichtig, dass die biblischen Erzählungen vom Loslassen Geschichten des Aufbrechens, des Fortgehens sind. Die Wallfahrt ist ein privilegierter Ort des Loslassens.
Wie schon erwähnt war es für mittelalterliche Pilger üblich, vor dem Aufbruch alles zu tun, was man üblicherweise vor dem Sterben vollzog. Einen eindrucksvollen Beleg dafür liefert eine Predigt des Johannes Geilers von Kaysersberg aus dem Jahr 1494. Wer auf Pilgerfahrt geht, so Geiler, soll zuvor alle Konflikte beilegen, fremde Schuld vergeben, eigene vergeben lassen und sich mit allen Mitmenschen aussöhnen. Er soll unrechtmäßigen Besitz zurückgeben und Geldschulden begleichen. Er soll die Erlaubnis seiner Ehefrau zur Wallfahrt einholen und sie vor allem Gesinde als Hausvorstand einsetzen. Im eigenen Bereich soll er Frieden stiften und schließlich ein Testament abfassen.
Zusätzlich zu diesen lebenspraktischen Vollzügen des Abschieds stellte die mittelalterliche Kirche beim Aufbruch eine Reihe liturgischer Rituale bereit: Es wurde eine eigene Votivmesse „für Pilger und Reisende" gefeiert. Anschließend wurde der Pilgersegen erteilt sowie feierlich Tasche und Stab überreicht. Diese symbolische Vielfalt ist ausgerechnet vom II. Vatikanischen Konzil auf den Pilgersegen reduziert worden. Nur vereinzelt hat sich das Umhängen eines zuvor gesegneten Pilgerkreuzes gehalten. Es ist also eine beträchtliche Herausforderung, den alten Reichtum an Symbolen wiederzugewinnen.
Aber auch das Loslösen der Pilgernden von der Heimat und umgekehrt der Daheimbleibenden von den Wegziehenden fällt im Zeitalter der Telekommunikation schwerer als früher. Für die innere Dynamik des Pilgerns ist es wichtig, wirklich Abstand zu gewinnen. Wer meint, er müsse von einer Wallfahrt aus jeden Abend daheim anrufen, verpasst eine Chance spiritueller Reifung. Die Zurückbleibenden sollen den Pilger wirklich ziehen lassen, und dieser soll wirklich gehen. Es mag anfangs schwer sein, diese Trennung ehrlich zu vollziehen. Doch wenn sie gelingt, wird sie zur Quelle großer Freiheit und zum Ursprung tiefen Glücks.
Von Professor Michael Rosenberger
Märchen, in denen das Reifen und Erwachsenwerden von Menschen das Kernthema darstellt, enthalten häufig ein Weggehen der Hauptperson(-en) von Zuhause. Schneewittchen, das über die sieben Berge zu den sieben Zwergen zieht; Hänsel und Gretel, die sich im großen Wald verlaufen; das tapfere Schneiderlein, das unternehmungslustig in die Welt wandert. Immer dient das Weggehen von Zuhause den Hauptfiguren dazu, ihre Stärken und Möglichkeiten wahrzunehmen, ihre Identität zu entdecken und so erwachsen zu werden.
Man kann nun in einer tiefenpsychologischen Auslegung das Weggehen von daheim primär symbolisch deuten und auf innere Vorgänge im Menschen beziehen. Doch darf nicht vergessen werden, dass innere Prozesse der Distanzierung durch äußere Distanz erleichtert werden. Was sich innerlich vollzieht, sucht einen äußeren Ausdruck. Nur aus der inneren wie äußeren Entfernung lässt sich die Richtigkeit von Lebenseinstellungen erkennen, lassen sich Erlebnisse verstehen und deuten.
Erfahrung wächst aus Distanz
Die Existenzphilosophie entfaltet diese Einsicht anlässlich der Analyse des Zusammenhangs von Erleben und Erfahren. Das Erlebnis ist das momentane, unmittelbare Wahrnehmen eines Geschehens. Der Wahrnehmende taucht in die Sache ein, um sie zu schmecken und zu verkosten und sich mit ihr zu identifizieren. Erfahrung nennen wir hingegen die Quintessenz eines Erlebnisses, das Erfassen seiner tieferen, über den Moment hinausreichenden Bedeutung. Was aber muss geschehen, damit aus einem Erlebnis Erfahrung wächst? Die Antwort ist einfach: Der Mensch muss Abstand von jener Wirklichkeit gewinnen, die er unmittelbar erlebt hat. Denn nur wenn die Wirklichkeit Abstand von ihm hat, kann sie sich in ihrem Eigensein zeigen.
Für dieses Geschehen der Selbstdistanzierung von Erlebtem gibt es verschiedene Wege. Der wichtigste und am häufigsten angewandte ist die Versprachlichung. Sprache verallgemeinert. In der Versprachlichung von Erlebnissen werden diese in einen größeren Horizont hineingestellt. Sowohl der Einzelne, der über ein Erlebnis zu reden beginnt, als auch eine Gemeinschaft, die Worte sucht, versuchen das Erlebte zu deuten und zu verstehen. Und immer geschieht in diesem Vorgang eine Distanzierung vom Erlebnis selbst.
Eine weitere Möglichkeit der Selbstdistanzierung ist es, räumlich und erlebnismäßig Abstand von dem Erlebten zu gewinnen. Ein Mensch, der im Urlaub an einem völlig anderen Ort einen völlig anderen Tagesrhythmus lebt, distanziert sich von den Erlebnissen seines Alltags und gewinnt so die Chance, diese Erlebnisse klarer in den Blick zu nehmen und aus ihnen bleibende Erfahrungen zu gewinnen.
Die Erkenntnis, dass Erfahrung mit dem Abstand wächst, hat Israel sehr schmerzhaft am eigenen Leib gewonnen. Keine Epoche der Geschichte des Volkes wurde so prägend und fruchtbringend wie die Zeit im babylonischen Exil. Etwa die Häfte des gesamten Alten Testaments wurde in dieser kurzen Zeit von drei bis vier Jahrzehnten verfasst. Als der Tempel zerstört, das Land geplündert und die Oberschicht deportiert ist, dringt Israel zu bahnbrechenden Erkenntnissen durch, beispielsweise zur Vorstellung eines strengen Monotheismus.
Distanz klärt und erklärt. Deswegen sind es vor allem zwei Orte, die sich im Verständnis der Bibel für Gotteserfahrungen eignen: Die Wüste und der Berg Sinai. Beide liegen außerhalb des bewohnten Landes. Beide entfernen den Menschen von seinem Alltag. Ob Jakob, Mose, Elija oder Jesus – sie alle suchen die Wüste auf und erfahren dort entscheidende Wegweisung. Ein dritter biblischer „Ort" der Distanz ist eine Zeit: Der Sabbat. Am Sabbat hört das alltägliche Leben auf, es wird für einen Tag unterbrochen, die Zeit bleibt stehen. Und deswegen eignet sich dieser Tag besonders für die Erfahrung Gottes.
Es braucht Orte und Zeiten der Unterbrechung, der Distanzierung, in denen der Mensch innehalten und seine Erlebnisse deuten kann. Wer ohne Unterbrechung lebt und erlebt, wird am Ende mit leeren Händen dastehen. Das Erlebte zerrinnt ihm wie Sand zwischen den Fingern. Um zu sammeln, braucht es die Unterbrechung.
Wallfahren: Fortziehen aus dem Alltag
Wallfahren heißt innehalten im Getriebe des Alltags, ausbrechen aus dem Trott der Gewohnheit. Dazu drei Ratschläge:
So viel Distanz zu den Räumen und Zeiten des Alltags gewinnen wie möglich. Pilgernde sollten sich wirklich Zeit nehmen – wer am Morgen aufbricht und am selben Abend zurückkehrt, für den wird die Wallfahrt wenig Abstand vom Alltag bringen. Und je größer der Bedarf eines Menschen nach Klärung und Orientierung ist, umso länger sollte seine Wallfahrt sein.
So viel Distanz zu den Gewohnheiten des Alltags wie möglich. Also: Einfaches Essen, bescheidene Unterkünfte. Wer unterwegs die selben Annehmlichkeiten genießt wie Zuhause, wird kaum Distanz verspüren. Wallfahrtsleiter sollten sich also nicht daran messen lassen, ob sie den Teilnehmenden so viele Annehmlichkeiten wie möglich bereiten, sondern daran, wie viel Distanz sie ihnen zum Alltagsgeschehen ermöglichen.
So viel Distanz zu den Bezugspersonen des Alltags wie möglich. Wenn Ehepaare oder Freunde gemeinsam wallfahren, kommt es ganz entscheidend darauf an, dass sie einander Freiräume geben und Zeiten des Alleinsein-Wollens respektieren. Ich kenne Ehepaare, die bewusst nicht gemeinsam auf Wallfahrt gehen.
Von Professor Michael Rosenberger
In den letzten Jahren haben Risiko-Sportarten ungeahnten Zulauf gefunden. Ob Gleitschirmfliegen oder Bungee-Jumping – alles scheint dem Gesetz zu folgen: Je extremer, umso besser. Pilgern hat aus ähnlichen Gründen Erfolg. Aber woran liegt es, dass ausgerechnet in der hoch zivilisierten und rationalisierten Moderne Risiko und Abenteuer gesucht werden? Was erwarten sich Menschen vom Abenteuer? Und kann eine Wallfahrt dieser Erwartung Rechnung tragen, ohne missbraucht zu werden?
Riskant, aber erfüllend
Überraschenderweise erweist sich die moderne Gesellschaft als sehr produktiv im Wecken von Abenteuerlust. Der Sportwissenschaftler Karl-Heinrich Bette nennt dafür Gründe:
a) Die moderne (Vernunft-) Gesellschaft versucht, alle Risiken zu kalkulieren und abzusichern. Damit aber wird sie langweilig. Das Abenteuer hingegen ist zwar riskant, aber auch erfüllend.
b) Die moderne Welt nimmt dem Menschen immer mehr Handlungsmöglichkeiten, der Einzelne wird zunehmend fremdgesteuert. Das Abenteuer hingegen lässt den Menschen handeln, seine Welt selbst gestalten.
c) Die moderne (Technik-) Gesellschaft entfremdet den Menschen von der Natur. Das Abenteuer hingegen bietet Naturnähe.
d) Die moderne (Massen-) Gesellschaft tendiert zur Anonymisierung. Abenteuer aber schenken Besonderheit und Unverwechselbarkeit.
e) Die moderne (Medien-) Gesellschaft vermittelt Erfahrungen nur noch indirekt über Bilder und Worte. Abenteuer ermöglichen es, Dinge selbst zu erleben.
f) Die moderne (Kommunikations-) Gesellschaft überbrückt Raum und Zeit und lässt Entfernungen auf Null zusammen schrumpfen. Für den Abenteurer hingegen ist eine Distanz noch Distanz.
g) Die moderne (Erlebnis-) Gesellschaft lässt den Menschen nach immer neuen Erlebnissen jagen. Abenteuer hingegen finden in der Gegenwart statt.
Für den Geisteswissenschaftler sagen diese Merkmale der Abenteuer-Lust etwas über das Wesen des Menschen: Der Mensch sucht Risiko, Selbstbestimmung, Freiheit, Einmaligkeit, unmittelbares Erleben, räumlichen Widerstand, Gegenwart – und in all dem sich selbst, seine Identität, seine Selbstentfaltung und -verwirklichung. Das aber ist ihm nur möglich, wenn er sich riskiert. Ein Abenteuer kann scheitern – das Risiko ist maximal: Der Abenteurer setzt alles aufs Spiel.
Wo ein Mensch bewusst und frei seine gesamte Existenz, das Gelingen seines Lebens aufs Spiel setzt, sprechen Philosophie und Theologie vom Wagnis. Der Begriff ist abgeleitet vom Wort „Weg": Wer ein Wagnis ein-„geht", macht sich auf einen Weg, dessen Ende ungewiss ist. So verstanden ist das menschliche Leben immer ein Wagnis – wir kommen gar nicht darum herum, unser Leben einzusetzen – aus mehreren Gründen: Ohne Wagnis keine Erfahrung: „Erfahrung" wird aus dem wagenden „Fahren" eines Weges gewonnen. Ohne Wagnis kein personales Reifen: Gerade das Eingehen von Wagnissen bringt persönliches Wachstum. Ohne Wagnis keine Autonomie: Solange der Mensch sich in sicheren Gewässern bewegt, wird er nicht zur Eigenständigkeit gelangen. Ohne Wagnis keine Erfüllung: Wer sein Leben nicht wagt, wird es auch nicht gewinnen.
Der glaubende Mensch bringt dieses Wagnis seiner Existenz wie von selbst mit Gott in Verbindung. Das wird insbesondere an der Person Abrahams, des „Vaters der Glaubenden" deutlich. Gerufen, sich auf den Weg ins Ungewisse einzulassen (Gen 12), fragt Abraham sich schließlich sogar, ob er bereit ist, das Kostbarste aufs Spiel zu setzen, was er „besitzt": Seinen einzigen Sohn (Gen 22).
Gott wagt es mit den Menschen
Gott ist ein Gott, der den Menschen zum Abenteuer ruft, der ihn ermutigt, das Wagnis des eigenen Lebens vertrauensvoll einzugehen – bis zum Äußersten der eigenen Selbstaufgabe. Was von Abraham hypothetisch gefordert wurde, das muss Jesus ganz real vollziehen. Sein Tod ist auch ein warnendes Zeichen dafür, dass wir das Wagnis nicht verniedlichen, sondern mit dem Scheitern rechnen. Doch gerade an Jesus wird deutlich, dass selbst ein tödlicher Ausgang des Glaubens-Abenteuers das garantiert, worum es letztlich geht: Treue zu sich selbst, Finden der eigenen Identität, Erfüllung und Glück – weil Gott es mit uns Menschen wagt und selbst im Scheitern treu ist.
Im Mittelalter bedeutete das Wallfahren ein echtes Risiko: Es gab Räuber entlang der großen Pilgerwege; da und dort stieß man auf ungenießbares Wasser – das wurden dann echte „Durststrecken"; oftmals steckte man sich in den Massenquartieren, in denen meist mehrere Pilger in einem Bett übernachten mussten, mit Krankheiten an; und nicht wenige Pilger starben, wie die Pilgerfriedhöfe entlang der Wallfahrtsrouten noch heute zeigen.
Es ist zweifellos gut, dass das Pilgern heute weit weniger gefährlich ist als früher. Aber es wäre fatal, der Wallfahrt auch noch den letzten Rest ihrer Abenteuerlichkeit zu nehmen. Das heißt konkret: Keine Luxushotels zur Übernachtung ansteuern, sondern möglichst einfache Quartiere; mit kleinen Gruppen keine übertriebene Planung bis ins letzte Detail, sondern das Nachtquartier erst gegen Abend suchen; keine Begleitfahrzeuge, in die sich fußlahme Pilgerinnen und Pilger jederzeit setzen können, sondern das Wagnis, einmal krankheitsbedingt pausieren zu müssen; keine gut ausgebauten Straßen, auf denen die Schuhe nicht schmutzig werden, sondern naturnahe Wege, auf denen man auch im Schlamm watet.
Von Professor Michael Rosenberger
Das heutige Alltagsleben erfordert von vielen Menschen kaum noch körperliche Betätigung: Mit dem Auto oder dem öffentlichen Verkehrsmittel fahren sie zur Arbeit und das Treppensteigen ist durch die Benutzung des Aufzugs abgelöst. Im Haushalt erledigen Staubsauger, Wasch- und Spülmaschine einen Großteil der Arbeit und im Garten Rasenmäher, motorgetriebene Heckenschere und Laubsauger. Es scheint fast, als wolle der technische „Fortschritt" mit aller Macht verhindern, dass der Mensch selber Hand anlegen und kraftvoll arbeiten kann.
Das führt zu bizarren Folgen. Einerseits nehmen jene Erkrankungen dramatisch zu, die auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind, namentlich Übergewicht und Fettleibigkeit mit all ihren Folgeerscheinungen. Andererseits entsteht eine ganze Industrie, die nur das Ziel hat, für die Bewegung von Menschen zu sorgen. Hometrainer und Fitnessstudios breiten sich epidemisch aus, und dieselben Menschen, die im Alltag keinen Meter zu Fuß gehen oder Rad fahren, strampeln dann auf dem elektronisch programmierten Heimfahrrad und rudern auf dem Fitnessgerät.
Mein Körper bin ich
Welche Bedeutung hat der Leib eigentlich für das Leben des Menschen? In der modernen Existenzphilosophie wird die menschliche Personalität – anders als in früheren Jahrhunderten – stets in ihrer Bezogenheit auf den Leib und in ihrer Abhängigkeit von ihm reflektiert: Das Personsein des Menschen ist grundsätzlich im Leib vermittelt, nur in ihm kommt es zum Ausdruck. Ohne den Leib ist menschliches Dasein nicht vorstellbar. Der Leib verkörpert die Identität einer Person. Gleichwohl ist die Personmitte des Menschen nicht in einem Körperteil zu fixieren.
Diese duale Sichtweise der menschlichen Existenz als „Person sein im Leib sein" hat eine lange Tradition. Sie entspricht dem Menschenbild des Aristoteles ebenso wie der biblischen Tradition. Von ihr zu unterscheiden sind alle dualistischen Ansätze, die den Leib einer substanzhaft missverstandenen „Seele" unterordnen. Erst in ihnen vollzieht sich wie bei Platon die Abwertung des Leibes als „Gefängnis" der Seele. Es stellt ein großes Problem der christlichen Tradition dar, dass sie in den ersten Jahrhunderten solche Ideen übernahm und damit leibfeindlichen Vorstellungen den Weg ebnete, die bis ins 20. Jh. hinein bestimmend blieben.
Ich habe einen Körper. Und ich bin mein Körper. Anders als ein Haus, ein Auto oder selbst einen Ehepartner kann ich meinen Leib als ganzen nicht tauschen – allen Möglichkeiten der Schönheitschirurgie und Transplantationsmedizin zum Trotz. Der Leib ist der Speicher meiner Lebensgeschichte, der Garant meiner Identität.
Aus der Sicht der Bibel ist diese Würde des Leibes evident: Er ist von Gott gut und wertvoll geschaffen, so gut, dass Gott sich seinen Geschöpfen leibhaftig zuwendet: „Caro cardo salutis" – der Leib ist Schlüssel zum Heil. Diesen dogmatischen Kernsatz kann man gar nicht ernst genug nehmen. Er sagt ja auch: Ohne Leib kein Heil. Ohne Leib keine Möglichkeit Gottes, an seinen Geschöpfen heilsam zu wirken. Weder jetzt noch in der Ewigkeit. Der Leib darf auch im Himmel nicht fehlen, denn wenn Gott seine Geschöpfe zu neuem Leben ruft, will er ja ihre Identität, ihre Geschichte bewahren. Wie jene neue Körperlichkeit der Ewigkeit sich konkretisiert, wissen wir nicht – sie wird völlig anders sein als die irdische (1 Kor 15,35-50). Und doch wird der neue Leib die irdische Geschichte des Individuums speichern und darstellen. Die Evangelien machen das symbolhaft daran deutlich, dass der auferstandene Christus von den Jüngerinnen und Jüngern an seinen Wundmalen erkannt wird. Seine Lebensgeschichte und ihre Spuren auf seinem Leib sind nicht ausgelöscht, sondern verwandelt.
Der Schlüssel zum Heil
Der Leib ist Schlüssel zum Heil. Christliche Liturgie ist deshalb ein leibhaftiges Vergegenwärtigen heilsbedeutender Ereignisse, ein Erleben und Erfahren mit allen Sinnen. Dennoch ist sie im Laufe der Zeit massiv entleiblicht worden. Körperbetonte Elemente wurden zurückgedrängt und gewinnen erst seit der Liturgiereform wieder mehr Raum. In diesem Zusammenhang hat das Pilgern herausragende Bedeutung. Wallfahren ist „Beten mit den Füßen". Pilger spüren, was sie vollziehen. Sie selber – leibhaftig – feiern ihren Glauben. Eine Wallfahrt kommt nicht „über uns". Sie ist in höchstem Maße Aktivität – mit allen Sinnen und dem ganzen Körper.
Keine zu kurzen Wege
Für die Gestaltung von Wallfahrten hat das Konsequenzen: Wallfahrten mit Bus, Zug oder Flug können nur als Notprogramm verstanden werden – wo Menschen keine größeren Strecken laufen können oder das Wallfahrtsziel zu weit entfernt ist. Aber auch da sollte überlegt werden, inwieweit Fußwege ein Bestandteil des Programms sein können. Generell gilt die Maxime: Keine zu kurzen Wegstrecken gehen – die Menschen nicht unterfordern! Jeder Pilger sollte die Chance haben, seinen Körper intensiv zu spüren. Man kann ja abgestufte Wegstrecken anbieten, so dass die weniger leistungsfähigen Wallfahrer später zur Pilgergruppe dazustoßen. Alle Teilnehmenden sollten ihr Gepäck selbst tragen. Es gehört zur Leiberfahrung dazu, das Gewicht der eigenen Habe auf dem Buckel zu spüren. Schließlich sollte die Wallfahrtsleitung Wege auswählen, die die Leiberfahrung verstärken. Selbst wenn es auf schmalen und unebenen Waldwegen schwierig ist zu beten oder zu singen, hat doch die dort mögliche Leiberfahrung einen hohen Eigenwert.
Von Professor Michael Rosenberger
Viele Wallfahrtsorte sind mit der Erzählung von Wundern verbunden. Ob dies aktuelle Berichte von wunderbaren Heilungen heutiger Pilgerinnen und Pilger sind, ob Überlieferungen aus früheren Jahrhunderten, oder ob Wundererzählungen die Entstehung eines Wallfahrtsortes begründet wie das Blutwunder in Walldürn – es dürfte wohl keinen christlichen Wallfahrtsort geben, der nicht in irgendeiner Weise mit Wundern in Verbindung gebracht wird.
Dennoch ist die Gewichtung der Wunder an den Wallfahrtsorten sehr verschieden. Während etwa in Lourdes wunderbare Heilungen für viele ein starkes Motiv zur Wallfahrt darstellen, ist dies an den drei klassischen Wallfahrtsorten Jerusalem, Rom und Santiago heute kaum noch der Fall. Auch fällt auf, dass Fuß- oder Radpilger Wundern in der Regel wenig Bedeutung beimessen.
Wer eine Wallfahrt primär oder ausschließlich mit Wunderglauben begründet, hat noch nicht verstanden, worum es eigentlich geht: Um das Wunder einer inneren, geistlichen Wandlung. Um das Wunder, als anderer, neuer Mensch von der Wallfahrt zurückzukehren. Umkehr ist das Schlüsselwort der Verkündigung Jesu (Mk 1,14f). Um Umkehr und Wandlung geht es an erster Stelle bei jeder Wallfahrt.
Ein Anderer werden wollen
Der Psychologe Carl Gustav Jung (1875-1961) beschreibt die inneren Wachstumsprozesse im Menschen mit dem Begriff der Individuation: Individuation bezeichnet jenen Wandlungsprozess des Menschen, der zur echten Selbst- und Ganzwerdung führt. Auf diesem Weg muss der Mensch sich mit seinem „Schatten" auseinandersetzen und diesen in seine Gesamtpersönlichkeit integrieren. Als „Schatten" versteht Jung die ins Unbewusste verdrängten, weil minderwertig oder gar schuldhaft erachteten Kräfte der eigenen Person. Wer aber ganz werden will, so Jung, muss diese dunklen Charakterzüge anerkennen und barmherzig, ja humorvoll mit ihnen umgehen. Dann können sie sogar zur Quelle positiver Handlungen werden. In zahlreichen Abhandlungen analysiert Jung Märchen, aber auch Träume und biblische Erzählungen darauf hin, wie sie solche Individuationsprozesse bildhaft beschreiben. Die Beschäftigung mit solchen Erzählungen kann und soll Individuationsprozesse anstoßen und fördern. Sie kann aber auch zum Hemmnis personaler Reifung werden. Es ist also von entscheidender Bedeutung, wie eine Erzählung oder ein Traumbild verarbeitet wird.
Gottesbegegnung verwandelt
Der Glaube stellt Jungs Erkenntnisse in einen größeren Horizont: Was den Menschen verwandelt, ist die Erfahrung der Gnade, des Geschenktseins und damit die Erfahrung Gottes. Kein Mensch kann seine Wandlung „machen" oder programmieren. Er kann das Feld dafür bereiten, sich um bestimmte Rahmenbedingungen bemühen. Doch wenn sich Wandlung ereignet, ist und bleibt sie ein Wunder – unverdient geschenkt. So sieht es schon das Alte Testament in der großartigen Erzählung vom Kampf Jakobs am Jabbok (Gen 32,23-33). Aus dem Lügner und Betrüger – so die Übersetzung des Namens Jakob – wird in der nächtlichen Auseinandersetzung mit Gott Israel, der Gottesstreiter. Aus dem Mann, der sein Leben lang sein Glück selbst planen und machen wollte, wird nun endlich jener, der sich ganz in die Arme eines Größeren fallen lassen kann.
Was die alttestamentliche Erzählung im Bild des Jakobskampfes verdichtet hat, feiern wir Christinnen und Christen in jeder Eucharistie. Wer an ihr teilnimmt, wird hineingenommen in die Wandlung Jesu. Ihm wird Wandlung der eigenen Existenz geschenkt, hin zu immer mehr Ähnlichkeit mit der Lebensform Jesu. Gott und die Begegnung mit ihm verwandeln. Das ist das eigentliche Wunder, weit größer als alle Heilungen an Wallfahrtsorten.
Wallfahrt als „Wandelfahrt"
Das deutsche Wort „Wallfahrt" wie auch das ältere „wallen" leiten sich etymologisch von dem Verb „wandeln" ab. Wer auf Wallfahrt geht, wandelt (sich). Und in der Tat: Wenn Psalm 15 Eintrittsbedingungen für Wallfahrer in das Heiligtum aufzählt, setzt er voraus, dass die Wandlung und Läuterung der Wallenden bereits unterwegs geschehen ist. Nicht am Ziel, sondern auf dem Weg geschieht Wandlung. Damit ergeben sich für die Gestaltung des Weges zwei Impulse:
1) Von jeher mahnen christliche Wallfahrtsführer zur Askese während der Wallfahrt: Der Verzicht auf Alkohol und Geschlechtsverkehr sind dabei die wesentlichsten Empfehlungen. Heute müsste man die Sorge um einfache Mahlzeiten und bescheidene Quartiere mindestens ebenso deutlich hinzufügen. Denn einfacher Lebensstil und Verzicht begünstigen innere Wandlungsprozesse. Für das reichliche Essen und Trinken ist am Ziel der Wallfahrt noch Gelegenheit genug. Dort hat es seinen Platz – aber nicht vorher.
2) Im Bußsakrament wird die Wandlung des Glaubenden durch Gott sakramental verdichtet und gefeiert. Eine gute Beichte ist deshalb ein zentrales Qualitätsmerkmal einer Wallfahrt. Insofern gehört es zu den wichtigsten Aufgaben von Wallfahrtsführern, für ausreichende Möglichkeit zu Gespräch und Beichte zu sorgen. Mehr noch, unterwegs könnten jeden Tag ein paar kurze inhaltliche Impulse für die Beichte gesetzt werden – Anstöße zur Gewissenserforschung und Neuorientierung. An großen Wallfahrtsorten bedeutet das aber auch eine enorme Verantwortung für die Auswahl und Ausbildung der Beichtpriester. Gerade dort dürfen nur hoch qualifizierte Seelsorger in den Beichtstuhl gesetzt werden.
Von Professor Michael Rosenberger
Wallfahrt und „wallen" leiten sich vom Verb „wandeln" ab. Wer pilgert, verwandelt sich, wird mehr er selbst. In der Tradition christlicher Spiritualität gibt es einen Weg, diese Wandlung und Selbstwerdung zu fördern: Den Weg der „Geistlichen Übungen" (Exerzitien) des Ignatius von Loyola (1491-1556). Ignatius hat zunächst selbst gewaltige und extrem schmerzhafte Wandlungsprozesse durchlebt – ausgelöst durch eine Phase schwerer Krankheit nach der Verwundung im Kampf gegen die Franzosen. Er hat darin erfahren, was es heißt, sein Leben von Gott gestalten zu lassen, ehe er den eigenen Übungsweg anderen Menschen an die Hand gab.
Unter Geistlichen Übungen versteht Ignatius eine Art spirituelles Training, und zwar „jede Art, die Seele vorzubereiten und zu disponieren, alle ungeordneten Neigungen zu entfernen, und ... den göttlichen Willen zu suchen und zu finden ..." (Exerzitienbuch Nr. 1). Geistliche Übungen sind also nur Vorbereitung, sie disponieren den Menschen. Die Wandlung selbst, die Neugestaltung nach Gottes Willen ist allein Geschenk seiner Liebe – sie kann der Mensch nicht machen.
Konkrete Wandlungen
Jene Wandlungen, um die es Ignatius geht, sind sehr konkret. Sie haben die Form von Entscheidungen. Immer wenn ein Mensch vor einer wesentlichen Lebensentscheidung steht, bieten sich Exerzitien als Weg zur Klärung an. Dann auch ist die Chance groß, eine Neuausrichtung des eigenen Lebens zu vollziehen und auf dem eigenen Reifungsweg einen Schritt weiter zu kommen.
Nun besteht eine der großen Entdeckungen des Ignatius darin, dass der Wandlungs- und Entscheidungsprozess des Menschen vier Phasen folgt, die immer gleich sind, auch wenn sie unterschiedlich lange dauern. Ignatius nennt diese Phasen „Wochen", betont aber sogleich, dass „Woche" nicht im Sinne von sieben Tagen zu verstehen sei (Nr. 4). Vielmehr handelt es sich um Stufen eines inneren Weges, der von seiner Eigenlogik her nur in dieser Stufenfolge beschritten werden kann. Eine der zentralen Aufgaben des Exerzitienbegleiters besteht demnach darin, jeweils zu erkennen, in welcher Phase sich ein Übender befindet. Denn je nach Phase soll dieser ganz unterschiedliche Inhalte betrachten, und je nach Phase sind auch seine Empfindungen ganz anders zu deuten (Nr. 9; 11).
Die vier Wochen der ignatianischen Exerzitien können mit folgenden Überschriften versehen werden: 1) Vorbereitung der Entscheidung durch Betrachtung des eigenen „Schattens". 2) Suchen und Treffen der Entscheidung. 3) Nochmaliges Prüfen und Bewähren der getroffenen Entscheidung. 4) Sich an der eigenen Entscheidung freuen und sie genießen. Psychologische Untersuchungen bestätigen die Abfolge dieser vier Phasen von Entscheidungsprozessen erstaunlich gut. Was Ignatius durch genaue (Selbst-) Beobachtung erkannte, lässt sich heute durch statistische Auswertung von Erfahrungsberichten untermauern.
Am Leben Jesu ausgerichtet
Die ignatianische Methode geht aber noch einen Schritt weiter. Indem Ignatius nämlich für jede der vier Wochen ganz bestimmte Passagen der Evangelien zur Betrachtung vorlegt, richtet er den Entscheidungsprozess auf das Leben und die Person Jesu hin aus. So stehen in der zweiten Woche die Geburt und das öffentliche Wirken Jesu, in der dritten sein Leiden und Sterben und in der vierten seine Auferstehung und Himmelfahrt im Zentrum der Betrachtungen. Nur die erste Woche fällt mit der Betrachtung der eigenen Sünden sowie der Hölle aus dem biblischen Rahmen, wird aber heute in der Regel durch Schriftstellen vom Umgang Jesu mit Kranken und Sündern ebenfalls jesuanisch gefüllt. Ignatius hat damit einen optimalen Rahmen geschaffen, in den die göttliche Gnade einfließen und für eine gute Entscheidung des Übenden sorgen kann. Das Vierwochenschema ist ein einzigartiger Weg, Wandlungsprozesse systematisch zu fördern.
Wallfahrt als „Stufenweg"
Aus der ignatianischen Einsicht in die Aufeinanderfolge der vier Phasen des Wandlungsprozesses ergibt sich die logische Konsequenz, dass das inhaltliche Programm einer Wallfahrt diesen Phasen zu folgen hat. Und nachdem das ignatianische „Prinzip und Fundament" der geistlichen Übungen (Exerzitienbuch Nr. 20) heute meist als vorgeschaltete erste Phase betrachtet wird, ergeben sich dafür fünf Themen: Die Gutheit der Welt und meines Lebens; meine Schwachheit und Sündigkeit; Gott, der mich dennoch in die Nachfolge Jesu ruft; die Prüfung meiner Bereitschaft im Leiden; das Geschenk seiner Herrlichkeit. Wie bei Ignatius ginge es darum, diese Inhalte an Christus und seinen Weg rückzubinden. So könnte an jedem Wallfahrtstag ein Evangelientext im Mittelpunkt stehen, der die betreffende Phase verdeutlicht. Wer dazu Anregungen sucht, findet sie in den zahlreichen Anleitungen für „Exerzitien im Alltag", die im Buchhandel erhältlich sind (wobei darauf zu achten ist, dass leider nicht alle solchen Anleitungen dem ignatianischen Schema folgen!). Die ignatianischen Exerzitien dauern in der Regel 30 Tage. So lange sind die wenigsten Pilgergruppen unterwegs. Insofern muss entweder jede Phase entsprechend verkürzt werden oder auf die späteren Phasen verzichtet werden (in der Hoffnung darauf, dass die Teilnehmenden das geistliche Wallfahrtsprogramm anschließend zu Hause nachbereiten). In keinem Fall aber sollte eine spätere Phase ohne die ihr vorangehenden präsentiert werden. Das erschwert unnötig die Wandlungsprozesse.
Von Professor Michael Rosenberger
Mein Unterwegssein hat wenige Richtlinien. Eine davon ist, ... dass ich bis zur Grenze gehe." Diese Aussage des Extrembergsteigers Reinhold Messner dürfte vielen von uns gut verständlich sein: Der Mensch will Grenzen nicht nur dann erfahren, wenn er sie ungefragt zu erleiden hat, wenn sie ihm auferlegt werden, nein, er sucht aktiv nach Grenzen, will sich an ihnen erproben und bewähren, versucht sie zu überschreiten, hinauszuschieben ... Der Mensch spielt mit den Grenzen – schon als kleines Kind.
Doch genau dieses Spielen mit Grenzen wird heute immer schwieriger. Denn in der pluralen Gesellschaft der Moderne ist fast alles erlaubt, fast alles erhältlich, fast alles möglich. Es gibt kaum noch Grenzen. Deshalb sucht der Mensch neue Grenzen. Ob Marathon, Klettern, ob Bungee-Jumping oder Gleitschirmfliegen, ob Wanderungen durch die Wüste oder auf die höchsten Berge der Erde – nichts kann heute so extrem sein, dass keiner es versuchen würde. Der Mensch sucht die Grenze – wenn sie sich ihm nicht von selber aufdrängt, wird er sie eben aus eigenem Antrieb finden. Aber was veranlasst ihn zu solch unermüdlichem Suchen?
Formel der Identität
Grenzen sind das wichtigste Kennzeichen der Geschöpflichkeit. Jedes Geschöpf ist endlich – räumlich und zeitlich begrenzt. Aber Grenzen haben eine wichtige positive Funktion: Aus der Begrenzung gewinnen Kreaturen ihre Identität. Grenzen (lateinisch „fines") de-finieren, sind Bedingung für die Selbst-Definition begrenzter Subjekte. Deshalb ist in Grenzerfahrungen in besonderer Weise ein existenzielles Wachsen des Menschen möglich. Die gefahrvolle Auseinandersetzung mit Grenzen, das Sich-Reiben, das Sie-Überschreiten, ja sogar das An-ihnen-Scheitern kann zum Moment des Reifens der eigenen Persönlichkeit in eine größere Tiefe und Intensität des Lebens hinein werden.
Andererseits: (Nur) Grenzen ermöglichen Gemeinschaft. Erst durch das Zurücknehmen des eigenen Selbst schafft der Mensch Raum für das Du des Anderen. Erst durch Selbstbegrenzung kann er dem Du begegnen, mit ihm kommunizieren und kooperieren. Doch wer dem Anderen Raum gibt, wird selbst größer, gewinnt an Ansehen und Wert. Identität entsteht aus Beziehung.
Privilegierte Gotteserfahrung
In jeder Grenzerfahrung überschreitet der Mensch sich selbst, denn er nimmt Stellung zu seiner Begrenzung. Selbst wenn er an seinen Grenzen scheitert, wenn er es nicht schafft, mit diesen Grenzen zu leben und umzugehen, verhält er sich zu ihnen und ist damit über sie hinaus. Insofern zeigt sich die Grenzerfahrung als Transzendenzerfahrung und – im Licht des Glaubens – als Gotteserfahrung. Nun wäre es ein Fehlschluss zu denken, dass allein Grenzerfahrungen das Potenzial hätten, Gotteserfahrungen zu werden. Im Gegenteil: Jede auch noch so alltägliche und scheinbar banale Erfahrung kann uns mit dem Gott des Lebens in Berührung bringen. Und insofern ist es die entscheidende Lebensaufgabe der Christinnen und Christen, „Gott in allen Dingen zu finden", wie Ignatius von Loyola es auf eine knappe Formel bringt, alle Dinge „von innen her zu verspüren und verkosten" (Exerzitienbuch Nr. 2), so dass sich Gott als deren innerste Wirklichkeit schenken und offenbaren kann.
Trotzdem gibt es privilegierte Ereignisse im Leben, die besonders „anfällig" für das Erfahren Gottes sind: Die „außeralltäglichen" Ereignisse. Jene Begebenheiten, die uns ohne große Vorübung oder Vorbereitung stutzig machen und innehalten lassen. Sie müssen uns nicht aus der Bahn werfen, aber sie lassen uns auf keinen Fall unberührt. Ein Großteil solcher außeralltäglichen Ereignisse können als Grenzerfahrungen beschrieben werden.
Der „Kick" des Wallfahrens
Große Wallfahrten sind ähnlich wie Extremsportarten eine Möglichkeit, die eigenen Grenzen zu erfahren. Und für viele Pilger ist genau dies eine wesentliche Motivation. Aber auch auf kleineren Wallfahrten lassen sich Grenzen spüren. Es braucht nur einmal einen ganzen Tag lang in Strömen zu regnen, dann reichen auch 30 oder 40 Kilometer, um ans Limit zu führen. Doch wenn Pilger von Erlebnissen aus früheren Jahren berichten, sind es meist genau diese Widrigkeiten, die sie mit der größten Begeisterung erzählen. Das Gefühl, es trotz allem geschafft zu haben, wiegt mehr als alle Wallfahrten, die ohne große Beschwerden absolviert wurden.
Insofern sollte jede Wallfahrt die Möglichkeit zu solchen Grenzerfahrungen geben. Viele sollten im Laufe der Wallfahrt an den Punkt gelangen, wo sie Lust hätten, alles hinzuschmeißen und auf die Fortsetzung zu pfeifen (und an diesem Punkt darf kein Begleitfahrzeug sie aufnehmen, sofern sie noch weiterlaufen können!). Der Kampf mit dem „inneren Schweinehund" ist ganz wesentlich für die Früchte, die eine Wallfahrt erbringt.
Schließlich kann das Erreichen der eigenen Grenzen noch eine weitere Erfahrung schenken: Dass die Mitpilgernden einen aufmuntern und unterstützen, dass sie rücksichts- und verständnisvoll reagieren. Es hat etwas Befreiendes, am Ende einer Wallfahrt sagen zu dürfen: Ohne eure guten Worte hätte ich aufgegeben – ohne eure Unterstützung hätte ich es nicht geschafft! Der Pilger braucht kein heldenhafter Einzelkämpfer sein. Wäre er ein solcher, würde ihn die Wallfahrt nicht verwandeln. Nein: Wenn der Pilger seine eigenen Grenzen erreicht hat, darf er sich hineinfallen lassen in den bergenden Schoß der Gemeinschaft – und in die mütterlichen Arme Gottes.
Von Professor Michael Rosenberger
Vor etlichen Jahren sprach mich am Ende einer alljährlich stattfindenden Fußwallfahrt auf den Kreuzberg eine Frau an und sagte: „Diesmal sind wir gar nicht nebeneinander gegangen! Ich habe das richtig vermisst!" Ich hatte es genau so empfunden wie sie. Denn die Jahre zuvor waren wir immer ein Stück des Weges Seite an Seite gegangen. Die Worte meiner Mitpilgerin zeigen, wie wichtig Weggemeinschaft ist. Jeder Pilger und jede Pilgerin ist mit anderen verbunden. Selbst wer allein unterwegs ist, reiht sich ein in die große Gemeinschaft jener, die dasselbe Pilgerziel haben. Wallfahrt führt Menschen zusammen.
Der Mensch ist auf Gemeinschaft hin angelegt. Das wusste schon die antike Philosophie, die ihn als Sozialwesen definierte. Der Mensch ist kein Einzelgänger, sondern von Geburt an auf Gemeinschaft ausgerichtet – nicht nur, weil er ohne die Hilfe seiner Artgenossen unfähig zum Überleben wäre, sondern auch, weil er in Kommunikation und Kooperation seine Selbsterfüllung findet. Im Personbegriff hat die christliche Theologie das auf den Punkt gebracht. Der Mensch ist Person, das heißt: er hat ein Gesicht, wird angesehen, verdient Respekt seitens anderer. In seinem Bezogensein auf andere gewinnt er seine Identität. Identität wächst aus Beziehung.
Volk Gottes auf dem Weg
Der Mensch als Gemeinschaftswesen – das gilt besonders für den Menschen als Glaubenden. Der Glaube ist ein Grundvollzug, der nur gemeinsam gelebt werden kann: Ein Glaubender ist kein Glaubender. Religion vollzieht sich in Gemeinschaft und bildet Gemeinschaft. Aber versteht sie sich auch als unterwegs, in Bewegung, im Wandel? Für Israel gibt es darauf nur eine Antwort: Gottes Volk ist ein Volk unterwegs. Auf dieser Erde hat es keine bleibende Heimat. Es zieht aus Sklaverei und Unfreiheit in das von Gott verheißene Land. Sein Gott offenbart sich auf dem Weg, ist ein mitgehender Gott.
Jesus steht ganz in dieser Tradition seiner Mutterreligion, wenn er um sich eine Jüngergemeinschaft sammelt, die mit ihm unterwegs ist. Berufung meint den Ruf in diese Weggemeinschaft, Nachfolge bedeutet sehr wörtlich das Ihm-Hinterhergehen. Doch im Mittelalter vergessen Kirche und Theologie dieses Bild. Andere Kirchenbilder gewinnen die Oberhand. Erst das II. Vatikanische Konzil entdeckt es wieder – als das dominierende Bild von Kirche. Das hat einschneidende Konsequenzen: Die pilgernde Kirche
- ist zur dauernden Reform gerufen (Unitatis Redintegratio 6). Pilgern heißt sich wandeln.
- schaut Gott nur in einem Spiegel (Dei Verbum 7). Pilgern heißt begrenzte Erkenntnis besitzen.
- ist ihrem Wesen nach missionarisch (Ad Gentes 2). Pilgern heißt mit Menschen anderen Glaubens in Dialog treten.
- teilt Freude und Hoffnung, Trauer und Angst (Gaudium et Spes 1). Pilgern heißt solidarisch sein.
An der kirchlichen Basis in Europa hat sich diese Vorstellung (anders als in Lateinamerika!) nur zaghaft verbreitet. Zwar gibt es moderne Kirchenbauten, die durch ihre Zeltform auf die Pilgerexistenz der Kirche verweisen. Aber wenn man die programmatischen Slogans von Pfarreien betrachtet, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, taucht weit öfter die Metapher „Heimat" auf. Pfarreien wollen den Menschen Heimat sein in einer kalt gewordenen, heimatlosen Welt. So gut dies aber gemeint ist: Es ist unbiblisch! Heimat haben die Jüngerinnen und Jünger Jesu allein im Himmel (Phil 3,20) – auf der Erde kommt ihnen weder eine Höhle noch ein warmes Nest zu (Lk 9,58). Was die Kirche tun kann ist, sich auf den Weg zur Heimat machen – mehr nicht. Will das müde gewordene Gottesvolk wirklich in der Wüste bleiben?
Auf dem Weg die Gemeinschaft fördern
Vielleicht ist der gegenwärtige Boom des Wallfahrens ja auch ein Zeichen dafür, dass die Menschen sich nach einer dynamischeren Kirche sehnen. Dann ergibt sich eine doppelte pastorale Herausforderung:
1) Es gilt, das gemeinschaftsbildende Potenzial der Wallfahrt zu fördern, also gezielt Zeiten der Begegnung einzuplanen und am Ziel nicht gleich auseinander zu gehen. Zur Wallfahrtskirche gehört immer ein Wirtshaus, und die Einkehr darin sollte integrativer Bestandteil einer Wallfahrt sein. Unterwegs ist die Anleitung zu wechselseitiger Rücksichtnahme ein wesentliches Element der Gemeinschaftsförderung. Kirche sein heißt, dass die Starken die Schwachen tragen, dass alle einander annehmen und ermutigen. Die Erfahrung von Kirche endet nicht an den Grenzen der eigenen Pilgergruppe. Kirche ist kein geschlossener Pferch einer selbstgenügsamen Herde, sondern „katholisch", das heißt weltoffen. Die Begegnung mit Kirche entlang des Weges, etwa durch Eucharistiefeiern oder Beherbergung in Pfarreien, bildet ein unschätzbares Potenzial.
2) Es gilt aber auch, das Gemeinschaft dynamisierende Potenzial einer Wallfahrt zu fördern. Wo, wenn nicht auf einer Wallfahrt, lassen sich gemeindliche Prozesse initiieren? Ich denke an eine Romwallfahrt mit einer Pfarreiengemeinschaft aus sechs Dörfern, an deren Ende völlig neue Formen der Kooperation vereinbart wurden. Oder an eine Sternwallfahrt anlässlich der Gründung einer weiteren Pfarreiengemeinschaft, die wie ein Zündfunke wirkte. Hunderte Menschen kamen zusammen, und allen war plötzlich klar: Die Pfarreiengemeinschaft ist nicht nur eine Notlösung, sondern birgt enorme Chancen zu einem reicheren Glaubensleben. Wallfahren baut Kirche auf. Dynamische Kirche.
Von Professor Michael Rosenberger
Als ich 1994/95 mit einer kleinen Gruppe per Fahrrad nach Jerusalem pilgerte, war es unsere Maxime, nach Möglichkeit nicht im Hotel zu übernachten, sondern so weit als möglich die Gastfreundschaft der Menschen in Anspruch zu nehmen. Wo es entlang des Weges christliche Klöster und Pfarreien gab, konnten wir diese anfragen. Wo dies aber nicht der Fall war, klopften wir spontan bei Unbekannten an – dort, wo wir am Abend eines Tages gerade waren. Verpflegung brachten wir selber mit, es ging nur um ein Dach über dem Kopf. Und man staune: Kein einziges Mal standen wir in den muslimischen Ländern vor verschlossenen Türen.
Der heimatlose Mensch
Schon im lateinischen Begriff „peregrinus", wörtlich „der über fremde Erde zieht", wird ein Bild des Wanderers oder Pilgers heraufbeschworen, das dessen Schutzlosigkeit und Ausgesetztheit spüren lässt. Der Wanderer ist draußen, vor den Toren der Stadt. Wind und Wetter wehrlos preisgegeben befindet er sich in einer äußerst misslichen Lage. Noch dazu kennt er die Gegend nicht, hat bestenfalls eine durch Karten und Führer angelesene grobe Orientierung. Und wenn er die Sprache des Landes nicht versteht, ist er extrem abhängig vom guten Willen der Einheimischen.
Grundsätzlich ist diese Angewiesenheit ein Kennzeichen aller Geschöpfe. Sie alle brauchen einen entsprechenden Lebenszusammenhang, ein „Biotop", ohne das sie schnell verkümmern würden. Der Mensch stellt jedoch in doppelter Weise den „Extremfall" des Angewiesenseins dar: Zwar kann er praktisch jeden Ort der Erde zu seinem „Biotop" machen und dort leben. Aber dafür bedarf er der komplexesten Sozialstrukturen und der größten Ressourcen. Er bleibt ein verletzliches, hilfsbedürftiges Wesen.
Ihr habt mich aufgenommen
Auf Grund dieser Einsicht messen alle Kulturen der Gastfreundschaft gegenüber Fremden einen hohen Stellenwert bei. Der Fremde wird unter dem besonderen Schutz Gottes gesehen, denn Gott hat eine Vorliebe für die Hilfsbedürftigen. Ja, es könnte sogar Gott selber sein, der als Fremder erscheint wie einst Abraham (Gen 18,1-33).
Jesus nimmt die Gastfreundschaft als Wanderrabbiner stark in Anspruch. Bei hochgestellten und reichen Personen ist er ebenso zu Gast wie bei Verachteten und Kleinen. Auch die Wandermissionare der frühen Kirche sind auf Aufnahme angewiesen. Besonders wirksam aber wird Jesu Zuordnung der Beherbergung Fremder zu den so genannten „Werken der Barmherzigkeit" im Gleichnis vom Weltgericht (Mt 25,31-46): „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan." Dieses eingängige Motiv wird der Garant dafür, dass Gastfreundschaft eine Aufgabe christlicher Caritas ist – individuell im Verhalten der Einzelnen und institutionell in kirchlichen Einrichtungen.
Das zeigt sich nirgends deutlicher als in der Ordensregel der Benediktiner (Kap. 53): „Alle ankommenden Gäste sollen wie Christus aufgenommen werden". Doch gibt es Vorzugsgäste: „Die allergrößte Sorge und Aufmerksamkeit lasse man bei der Aufnahme von Armen und Pilgern walten, denn mehr als in anderen nimmt man in ihnen Christus auf." Benedikt schildert eine Art Liturgie. Die Aufnahme der Gäste wird zelebriert. Und zur Sicherung ihrer Betreuung wird eine umfangreiche personelle und materielle Infrastruktur bereitgestellt. Denn im Gast begegnet Christus.
Angespornt von den Klöstern beginnen die Bürgerschaften der mittelalterlichen Städte, Bruderschaften zu gründen. Pilgerinnen und Pilger werden aufgenommen und verköstigt, kranke gepflegt und verstorbene begraben. An Pilger verwirklichen die Bruderschaften nicht nur eines, sondern praktisch alle sechs Werke der Barmherzigkeit. Deshalb werden im bildlichen Schmuck ihrer Hospize nicht selten Pilger dargestellt (so im Gründungsrelief des Würzburger Juliusspitals).
Zwischen den gastgebenden Frauen und Männern und den Pilgern besteht jedoch ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Der Pilger nimmt seinen Gastgeber und dessen Anliegen im Gebet mit. Das „Bete für mich!" eines Gastgebers ist keine leere Floskel, sondern drückt aus, dass der Pilger auch etwas zu geben hat. Er übernimmt Verantwortung für seine Gastgeber. Was der Eine materiell-leibhaftig gibt, schenkt ihm der Andere geistig-geistlich zurück. Gastliche Aufnahme von Pilgern geschieht „um Gottes Lohn".
Gastfreundschaft genießen lernen
Natürlich lässt sich Gastfreundschaft nur auf mehrtägigen Wallfahrten kosten. Aber wo solche vorbereitet werden, gilt den Unterkünften besondere Aufmerksamkeit. Am Pilgerziel und an bedeutenden Unterwegsstationen gibt es auch heute meist christliche Hospize. Darüber hinaus ist es eine großartige Chance, die Gastfreundschaft von Pfarreien in Anspruch zu nehmen. Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Wallfahrt in den Familien einer Pfarrei übernachten, entstehen oft herzliche Beziehungen, die über Jahrzehnte halten. Häufig vereinbaren Pilger mit „ihren" GastgeberInnen schon im Vorfeld, wieder bei ihnen einzukehren. So erleben Menschen hautnah Geschwisterschaft im Glauben.
Gastfreundschaft ist Geben und Nehmen. Deswegen tragen Wallfahrtsführerinnen und -führer Verantwortung dafür, die Anliegen der GastgeberInnen ihrer Gruppe mitzunehmen und in eigenen Gebetszeiten zur Sprache zu bringen. Auch am Ziel sollte der Menschen im Gebet gedacht werden, die die Wallfahrtsgruppe durch ihre tatkräftige Hilfe getragen und unterstützt haben.
Von Professor Michael Rosenberger
Zwei Frauen sind unterwegs auf Wallfahrt. Sie kommen miteinander ins Gespräch und stellen fest, dass sie beide Erbsen in die Schuhe gelegt haben, um ihr Opfer zu steigern. Jetzt jammert die eine ständig, weil sie vor Blasen kaum noch laufen kann. Die andere hingegen läuft scheinbar unbeeindruckt von allen Strapazen. Da fragt ihre Nachbarin, wie es denn sein könne, dass sie so problemlos laufe, wenn sie doch ebenfalls Erbsen in den Schuhen habe. Tja, sagt jene, ich habe die Erbsen vorher gekocht.
Ein Witz, der die Absurdität gewisser Formen traditioneller Opferfrömmigkeit aufzeigt. Und in der Tat: Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele Praktiken in die Wallfahrtspraxis eingeschlichen, die wir heute mit Kopfschütteln betrachten. Aber ist damit das Opfer als Element christlicher Spiritualität ein für allemal erledigt? Hat es in der nachkonziliaren Theologie seinen Platz verloren?
Geben, um zu empfangen
Opfer werden nicht erzwungen, sie werden frei gegeben. Insofern sind sie dem zwischenmenschlichen Schenken ähnlich. Und es gibt keine Kultur der Erde, die nicht das Schenken praktizieren würde, das freiwillige Geben von Dingen oder Leistungen. Aber man schenkt in Hoffnung auf eine spätere Gegengabe. Wenn einer seine Nachbarn zum Essen einlädt, erwartet er in absehbarer Zeit eine Gegeneinladung. Wenn jemand seinem Freund ein Geburtstagsgeschenk überreicht, ist er beleidigt, wenn dieser seinen eigenen Geburtstag vergisst. Geschenke verbinden Menschen, indem sie zum Gegengeschenk verpflichten. Dabei kann die im Geschenk mitgegebene Verpflichtung allerdings nicht erzwungen werden. Und doch wird eine Gesellschaft Menschen auf lange Sicht ausgrenzen, die nur nehmen ohne zu geben.
Geben, weil man empfangen hat
Niemand schenkt völlig selbstlos. Es wäre eine fatale Überforderung, ein absolut uneigennütziges Geben zu erwarten. Opfer werden nicht um ihrer selbst willen geleistet. Sie finden ihren Sinn vielmehr in einer tieferen Bindung zwischen Geber und Empfänger. Theologisch betrachtet steht am Anfang allerdings ein Geschenk Gottes. Der religiöse Mensch spürt, dass er sich selbst geschenkt ist – mit allem, was ihm anvertraut ist. Zuerst und zutiefst ist also jedes Opfer Dankopfer. Ein Bittopfer kann sinnvoll nur in Dankbarkeit vollzogen werden.
Vollzüge des Gebens haben immer zwei Ebenen: Die symbolisch-rituelle und die ethisch-existenzielle. Ein Geschenk macht nur Sinn, wenn es symbolisch für die innere Haltung seines Gebers steht, wenn es dem Empfänger die Bereitschaft signalisiert, mit ihm in freundschaftlicher Beziehung zu stehen. Eine nur äußerlich gegebene Gabe wird zur Lüge gegenüber ihrem Empfänger. Genau das ist es, was die Opferkritik Jesu meint: Sie bedeutet keine prinzipielle Ablehnung des Opfers, sondern wendet sich gegen Opferhandlungen, die von einer ehrlichen Opferhaltung abgekoppelt und damit pervertiert sind.
Umgekehrt aber heißt das: Wird eine Gabe ehrlich gegeben, ermächtigt sie den Schenkenden zu einer intensiveren Haltung der Hingabe. Was er symbolisch im Akt des Gebens vollzieht, kann er existenziell leichter verwirklichen. Der rituelle Vollzug des Opferns formt die Persönlichkeit dessen, der diesen Ritus vollzieht.
Spüren, was es einem wert ist
Ein Opfer von Pilgernden hat hohen Wert – unter zwei Bedingungen: Dass der Verzicht aus Dankbarkeit wächst, und dass er von Gott nichts erzwingen will. Insofern müsste am Beginn einer Wallfahrt gefragt werden: Welcher Reichtum meines Lebens wird mich durch die Entbehrungen der Wallfahrt tragen? Und: Welche Anliegen trage ich auf meinen Schultern, um sie am Wallfahrtsziel dem Herrn in die Hände zu legen?
Erst wenn diese beiden Fragen geklärt sind, kann man sich ein symbolisches Opfer vornehmen. Manche Wallfahrt kennt traditionelle Symbole. So spenden Gläubige am Ziel eine Kerze oder tragen diese besser noch bereits von zu Hause aus mit. Auf dem Jakobsweg gibt es das berühmte Eisenkreuz, zu dem man nach mühsamem Durchqueren der Meseta hinaufsteigt. Dorthin tragen die PilgerInnen nach altem Brauch vom Tal aus einen Stein und legen ihn mit ihren Anliegen unter das Kreuz. Wo es solche festgelegten Symbole nicht gibt, kann man selbst wählen. Doch muss das Zeichen „sprechen", aus sich selbst heraus verständlich sein.
Neben den symbolischen Opfern einer Wallfahrt sollte auf jeden Fall ein reales Opfer stehen. So ist es sinnvoll, während der Wallfahrt auf reiche Mähler, Alkohol und Genussmittel zu verzichten. Je umfassender der Verzicht auf die gewohnten Annehmlichkeiten ausfällt, umso wirksamer wird der Pilger seine Opferhaltung spüren und vertiefen. Für Festmähler ist am Ziel genug Raum. Zudem macht es Sinn, nach Abschluss der Wallfahrt zum Dank für deren Gelingen einen größeren Geldbetrag zu spenden – nicht für die Wallfahrtskirche, sondern für einen sozialen Zweck. Wer mit dem Gelingen einer Wallfahrt reich beschenkt ist, sollte seine Hand für jene öffnen, denen es schlechter geht. Seelsorger an Wallfahrtskirchen sollten eine solche Möglichkeit anbieten.